Vampirzorn
leuchtender, dreieckiger Augen, die ihn aus weniger als dreißig Zentimetern Entfernung unverwandt anstarrten.
Gefühllos, oh ja, schließlich war er nur ein Knecht. Zwar ein Vampir, aber trotzdem bloß ein Knecht, noch nicht einmal ein Leutnant. Vor ihm hingegen ...
... stand eine Wamphyri!
B. J. Mirlu war nur noch zu einem sehr kleinen Teil eine Frau. Zu drei Vierteln war sie nun Wolf, und nicht bloß ein Wolf, sondern eine Werwölfin. Sie brauchte keinen Vollmond mehr, lediglich Wut und Willenskraft. Der Rest war Reflex, es ging fast von allein und war ungeheuer einfach – genauso einfach wie vor ein paar Wochen, als Margaret Macdowell in Gefahr war. Tagsüber wäre die Verwandlung äußerst unwahrscheinlich, wenn nicht unmöglich gewesen. Nachts hingegen, in einem Augenblick wie diesem, wenn B. J. so erregt und wütend war wie jetzt ...! Sie war eine Wamphyri, dies war dem mickrigen Menschending klar, das sie mit unglaublicher Leichtigkeit in ihrer Klauenhand hielt – während die andere sacht auf der Brusttasche seines Jacketts ruhte und nach dem wilden Pochen seines Herzens fühlte.
Er sah sie an, diese sich vorbeugende, ihn mit ihrem Blick lüstern verschlingende Bestie (etwas anderes vermochte er nicht zu tun), starrte auf die weiße, gesträubte Mähne, die ein Gesicht umrahmte, das trotz allem noch irgendwie B. J.’s Züge bewahrte; auf ihre Gestalt, die ihn um ein paar Zentimeter überragte, als sei sie eine große, auf zwei Beinen stehende Hündin. Er konnte nicht anders, er musste auf die geifernden Kiefer starren, die sich zu einem gähnenden Schlund öffneten und riesige Reißzähne entblößten, gegen die seine Vampirfänge geradezu lächerlich wirkten. Er bebte am ganzen Körper und hätte vielleicht sogar geschrien, doch diese Augen nahmen ihm den Atem. Denn Bonnie Jean Mirlu war eine Betörerin, und das Feuer in ihrem Blick beraubte ihn aller Willenskraft. Diese Augen ... forschend musterten sie die Pflaster auf seinem Gesicht! B. J. entsann sich der blutigen Hautreste, die sie unter den Fingernägeln der armen, toten Zahanine gesehen hatte.
Weißer Schaum troff aus dem Winkel des entsetzlichen Mauls, während sie die Pranke von seiner Brust nahm und an sein Gesicht hob, um die Verbände abzureißen. Ihre Augen schienen rot aufzuleuchten, als sie seine Narben erblickte.
Immer größer wurden diese Augen, wahre Höllentore. Sie begann zu lächeln, und dies riss ihn aus seiner Erstarrung. Doch ein Lächeln ist nicht immer gleich ein Lächeln, und B. J. lächelte übers ganze Gesicht, ja, ihr ganzes Wesen war davon erfüllt ... doch dem Drakul blieb keine Zeit, sich an dieses Lächeln zu erinnern. Jedenfalls nicht in dieser Welt.
Ihre nadelspitzen Nägel gruben sich tiefer in seine Schultern und seinen Hals. Ein Schrei stieg in seiner Kehle auf, kam jedoch nicht über die wild hin und her zuckende Zunge hinaus. Denn B. J.’s weit aufgerissenes Maul schloss sich über seinem Gesicht. Ein Gurgeln war alles, was er zustande brachte, als seine Wangenknochen unter dem Druck dieser gewaltigen Kiefer knirschend brachen. So, wie er war, am Gesicht, hob sie ihn hoch, schüttelte ihn wie ein Terrier eine Ratte und schleuderte ihn weg ...
Plötzlich nahm sie über sich eine Bewegung wahr. Auf dem Heuboden knarrte etwas. War da jemand?
B. J. ließ ihre Sinne – nun mehr als die üblichen fünf – schweifen und ... entdeckte nichts außer etwas Staub, der herabrieselte, und eine Handvoll Strohhalme, die durch Lücken in den Dielenbrettern des Heubodens nach unten fielen. Doch das brachte sie auf einen Gedanken ...
Das ganze Geschehen nahm nicht mehr als ein paar Augenblicke in Anspruch. Die drei Drakuls draußen in der Limousine hatten zwar etwas gehört, was wie ein gedämpfter Knall klang, allerdings nichts gesehen. Die Scheibenwischer schafften es kaum, den Schnee von der Windschutzscheibe zu fegen, und von innen beschlugen die Fenster von der Atemluft der Insassen.
Doch als es in der Scheune mit einem Mal hell wurde, bekamen sie dies sehr wohl mit.
»Was zum ...?«, stieß der Anführer hervor. Es handelte sich nämlich keineswegs um die Scheinwerfer eines Wagens, sondern um ein Feuer!
Der Unterstand brannte. Die lodernden Flammen erfassten die knochentrockenen Strohballen einen nach dem anderen, züngelten an den Wänden empor, wurden vom Wind angefacht und weitergetragen, sodass das gesamte Bauwerk innerhalb weniger Sekunden taghell erleuchtet war; noch heller wurde es, als Sandra die
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