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Vampirzorn

Vampirzorn

Titel: Vampirzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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meinen eigenen Standpunkt verfolgt und mich nicht von anderen Theorien beirren lassen. Und jetzt stehe ich da und habe nichts als meine eigenen Theorien. Die Theorien eines Quacksalbers, wie du sicher bestätigen wirst. Mein ›Fluidum‹, ja, ja! Jetzt begreife ich, wie lächerlich das einem heute vorkommen muss! Aber ich bin nun mal ein Gewohnheitstier.
    Wie sollte Harry das verstehen? War Franz Anton Mesmer etwa die berühmte Ausnahme? Das eine Exemplar unter den zahllosen Toten, das die alte Regel widerlegte, dass ein Mensch sich im Tod mit ebendem weiterbeschäftigte, was er im Leben getan hatte? Indem er sich fortwährend von allem isoliert hatte – zunächst von seinen Zeitgenossen und Kritikern und später auch von den jüngeren Angehörigen seines Berufsstandes –, war er vielleicht tatsächlich zu ebendieser Ausnahme geworden. Der Necroscope war enttäuscht und niedergeschlagen. Mittlerweile müsste Mesmer eigentlich einer der größten, wenn nicht der größte Hypnotiseur aller Zeiten sein. Allerdings nicht, wenn er sein Metier aufgegeben oder die Entwicklungen seiner Branche nicht weiterverfolgt hatte. Vielleicht hatte Harry den Falschen aufgesucht. Vielleicht wäre er besser nicht hierhergekommen.
    Den Menschen konnte also geholfen werden? , sinnierte Mesmer. Nun ja, ich glaube schon, zumindest was die Schmerzlinderung betrifft. Aber als Spielball von Fakiren und Bühnenmagiern? Was denn, Menschen wie Hunde bellen oder wie Enten quaken lassen? Er klang verbittert und verlor offensichtlich das Interesse.
    »Was ist mit der Psychiatrie und der Psychoanalyse?«, hielt Harry ihm entgegen. »Das ist nicht bloß zum Schein und keine Theateraufführung. Und Ihre Arbeit ist eine der Grundlagen, wenn nicht die Grundlage davon!«
    Glaubst du das? Es ist nett von dir, das zu sagen. Natürlich habe ich gewisse Fortschritte gemacht ... nun ja, theoretisch zumindest, wenn auch nur im Geist. Denn hier unten gibt es ja niemanden, an dem man praktizieren könnte; ich habe schon lange niemanden mehr – wie sagt man: magnetisiert? Und tot und körperlos zu sein und nicht mehr sehen zu können, ist praktischen Experimenten auch nicht unbedingt zuträglich! Es ist, wenn man so will, ein gewisser Nachteil. (Dies war das Äußerste, was der Tote sich an, wenn auch trockenem, Humor erlaubte.) Natürlich habe ich darüber nachgedacht. Aber wie soll ich jemanden, den ich noch nicht einmal zu sehen vermag, mittels meines Willens beeinflussen oder ›hypnotisieren‹?
    »Ich weiß nicht recht«, entgegnete Harry. »Aber deshalb bin ich ja hier – um es herauszufinden.«
    Du bist hergekommen, um mich zu konsultieren? In meiner Eigenschaft als ... Arzt? Noch im Tod? Obschon mein Ruf zeitlebens angezweifelt wurde?
    Offensichtlich kam der Necroscope hier mit Schmeicheleien nicht weiter. Er begriff, dass Mesmer in der Tat den Glauben an sich selbst verloren hatte. Dabei war es unabdingbar, dass er an sich glaubte. Denn wenn schon er selbst es nicht tat, wie sollte dann ein Patient ihm vertrauen? Harry war klar, dass der feste Glaube der Versuchsperson eine der Voraussetzungen für das Funktionieren von Hypnose war.
    »Ich brauche jemanden, der mich untersucht«, zeigte er sich beharrlich. »Der mich hypnotisiert und in meinem Kopf nachsieht und mir sagt, was darin schiefläuft. Da Sie einhundertsiebzig Jahre lang Zeit hatten, Ihre Fähigkeiten zu vervollkommnen, nahm ich an, Sie könnten mir am ehesten helfen. Deshalb bin ich hierhergekommen.«
    Ah, aber du kommst einhundertsiebzig Jahre zu spät. Ich bin schließlich tot! Wie soll jemand, der sein Leben bereits ausgehaucht hat, die Lebenden untersuchen? Und rasch, wie um das Thema zu wechseln, fügte er hinzu: Aber die Art und Weise, wie du hier ankamst – dieses plötzliche Auftauchen! Was für ein neues Wunder der Wissenschaft ist das?
    Für den Moment ließ der Necroscope sich – seiner Enttäuschung zum Trotz – vom Hauptzweck seines Besuches ablenken ... oder vielleicht doch nicht so sehr? Immerhin hatte er das Argumentieren bei den Besten (oder vielmehr Schlimmsten) ihres Faches erlernt und begriff, dass Mesmers Interesse an seinen unheimlichen Talenten der Schlüssel zu der Tür sein könnte, hinter der der gute Doktor seine hypnotischen Fähigkeiten weggeschlossen hatte. »Wunder der Wissenschaft?«, fragte er darum.
    Wie würdest du es denn sonst umschreiben, wenn es keine Zauberei ist? Mesmer konnte Harrys Zurückhaltung, das sekundenlange Zögern, während dem der

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