Vampirzorn
erfahren. Der Mann mit dem Kanister war bereits im Begriff, um die Ecke zur Vorderseite des Hauses zu biegen, und noch immer verspritzte er sein Benzin.
Mit einem Mal erschien B. J. an einem offenen Fenster, fast direkt über dem Möchtegern-Brandstifter. Sie verrenkte sich beinahe, um sich weit aus der engen Öffnung zu beugen, und brachte ihre Armbrust in Anschlag. Gleich darauf vernahm der Necroscope das dumpfe, heimtückische Phut! Phut! einer Waffe mit aufgesetztem Schalldämpfer. Der Mann zwischen den Birken hatte eine Pistole gezogen, zielte quer über den Arm und feuerte. Seine Kugeln prallten dicht neben B. J.’s Kopf von der Mauer ab, als sie gerade den Abzug ihrer Waffe durchzog. Sie duckte sich und verriss dabei die Armbrust. Nun wünschte Harry sich, er hätte doch eine Waffe mitgenommen.
Aber B. J. verfehlte ihr Ziel nicht zur Gänze. Ihr Bolzen traf und durchbohrte die rechte Schulter des Mannes, der den Brand legen wollte. Jeder normale Mensch wäre vor Schmerz ohnmächtig geworden; doch der Kerl ließ lediglich den Kanister los und sackte einen Moment gegen die Wand. Dann richtete er sich wieder auf und griff mit der Linken nach dem Kanister!
Harry hatte genug gesehen; er wusste, was zu tun war; und in dem Sekundenbruchteil, in dem der Schütze ihn sehen würde ... nun, ein paar hastig aus einer Pistole abgefeuerte Schüsse waren ihm immer noch lieber als eine Salve aus einer Maschinenpistole! Er beschwor ein Tor herauf, trat ins Möbiuskontinuum ...
... und verließ es jenseits des Mercedes’ wieder. Aus diesem Winkel sah er die Kühlerhaube von Sandras Wagen hinter dem Haus hervorragen. Der Mercedes gehörte also den Kerlen, die B. J. belagerten – und die Fahrertür war offen. Er brauchte keine Sekunde, den Zeitzünder an einem kleinen, dafür jedoch todbringenden Gegenstand, kaum größer als eine Zigarettenschachtel, einzustellen und ihn unter dem Fahrersitz zu deponieren. Anschließend bediente Harry sich erneut des Kontinuums ...
... und tauchte in vollem Lauf wieder daraus hervor, keine fünf Schritte vom Haus und dem Küchenfenster entfernt. Er hechtete los, rollte sich zusammen, prallte mit der Schulter gegen die Scheibe, die nachgab, und landete auf dem Küchentisch, der unter seinem Gewicht zusammenbrach. In dem kurzen Augenblick, den er brauchte, sich aus dem Durcheinander aus Trümmerteilen und zerrissenen Vorhängen zu befreien, erklangen auf der Treppe eilige Schritte, und auch von dem zur Rückseite des Hauses führenden Flur her näherte sich jemand. »B. J.!«, rief er, so laut er konnte. »Ich bin’s, Harry!«
Drei Sekunden später flog die Küchentür auf. B. J. stand darin, mit wirrem Haar, in der lichtlosen, winterlichen Düsternis des Hauses loderten ihre leicht schräg stehenden Augen in einem wütenden Gelb. Ihre Armbrust war mitten ins Zimmer, direkt auf Harry gerichtet, bis sie erkannte, dass es tatsächlich er war, und die Waffe wieder sicherte. Im nächsten Augenblick lag sie laut aufschluchzend – vor Erleichterung, so viel war ihm klar, und zwar wegen ihm, keinesfalls für sich selbst – in seinen Armen und drückte sich an ihn, ihr Gesicht an seinen Hals, ihr Körper gegen den seinen gepresst ... aber nur für einen Moment.
Dann wich sie zurück und wandte sich, während Harrys Augen sich allmählich an die Lichtverhältnisse gewöhnten, sogar von ihm ab, so als wolle sie etwas vor ihm verbergen. Der Necroscope war sich ziemlich sicher, dass er wusste, worum es dabei ging ... allerdings wagte er es nicht, länger darüber nachzudenken. Er tat einen Schritt nach vorn und stand direkt hinter ihr, als sie anhob zu sagen: »Harry, mein ...« Da presste er die Hand auf ihren Mund.
»Nein!«, meinte er. »Ich bin bereits so weit, B. J. – jedenfalls so weit ich das möchte. Und glaub’ mir, ich bin besser ohne das. Vertrau mir.« Er schüttelte sie sanft. »Vertrau mir, okay?«
Einen Augenblick lang spürte er die furchtbare Stärke, die von ihr ausging wie etwas Lebendiges – vergleichbar vielleicht mit dem leisen Surren der Turbinen eines gewaltigen Staudammes – der einzige Hinweis auf die unglaubliche Kraft, die sie durchströmte. Mit eisernem Griff umfing sie sein Handgelenk. Doch dann entspannte sie sich und schob seine Finger weg. »In Ordnung – in Ordnung, Harry!« Sie drehte sich zu ihm um und war wieder die alte B. J. »Wo wart ihr denn bloß? Du und der Alte John? Ich habe keine Ahnung, wo John ist!«
Er schüttelte den Kopf und fuhr sich
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