Vampirzorn
schmatzte mit den Lippen. »Wenn das Garths Aufgabe ist, was machen dann wir beide?«
»Oh, etwas ganz Wichtiges!«, entgegnete der Alte John. »Dasselbe, was Garth hier tut, erledigen wir anderswo. Radu ist nämlich nicht der Einzige, der heute Nacht auferstehen wird. Wir müssen auch für seine Kreatur den Weg bereiten. Also los, du kommst mit mir, Alan-vom-Moor, es ist schon bald Mittag. Ah, aber für das Vieh müssen wir ganz schön viel schmelzen, glaub’ mir.«
Ehe der Alte John Garth seiner Wache überließ, schenkte er ihm den Becher noch einmal voll. »Du wirst dich doch, äh, nicht fürchten?«, fragte er augenzwinkernd. »Ich meine, wenn du so ganz allein hierbleiben musst?«
»Was gibt es hier denn zu fürchten?«, erwiderte Garth mit zusammengekniffenen Augen. »Ich habe Wasser und genug zu essen, die Fackeln spenden mir Licht und Wärme, und wenn sie heruntergebrannt sind, habe ich noch genügend weitere. Wie lange bleibt ihr eigentlich weg?«
»So lange es notwendig ist«, gab ihm der Alte John zur Antwort. »Aber wenn wir erst weg sind, wird es hier furchtbar still für dich sein. Auch gut! Dann kann sich keiner anschleichen und dich überraschen! Und vergiss nicht: Falls es irgendein Problem gibt, brauchst du nur zu rufen. In diesen Kavernen hier wird dein Ruf so weit getragen wie Wolfsgeheul – und das wird auch bald wieder von den Berghängen hallen, aye.«
Damit verschwand er mit Alan in dem Höhlenlabyrinth. Als ihre Schritte verklangen, stürmte das Schweigen lange vergessener Jahrhunderte auf Garth ein.
Keine zehn Minuten später überkam ihn eine seltsame Müdigkeit. Er schüttelte sich und stieg erneut zum Rand des Sarkophages hinauf, um auf Radu hinabzublicken. Doch Radus Konturen waren völlig verzerrt und kaum noch auszumachen, weil das Harz am Boden des gewaltigen Bottichs begonnen hatte, langsam zu zirkulieren. Und allmählich, ganz allmählich, stiegen schaumige Blasen auf, sammelten sich unter der Kruste und suchten sich einen Weg an die Oberfläche.
Eine ganze Weile saß Garth einfach nur da, mit dem Rücken zum Sockel des Sarkophages, bis er merkte, dass er schon wieder einnickte. Es musste wohl an der Wärme liegen, die die Fackeln verbreiteten. Er warf einen prüfenden Blick auf sie, dann stieg er hinab zum geröllübersäten Grund der Höhle, um einen Happen von seinem Sandwich zu sich zu nehmen. Wie er so in der Düsternis, im rhythmisch flackernden Schein der Fackeln dasaß, wich die Nervosität allmählich von ihm, seine Muskeln entspannten sich und der Kopf sackte ihm auf die Brust.
Nur einmal schreckte Garth hoch, als er glaubte, weit entfernt einen Schrei zu vernehmen. Doch es war nichts, die Fackeln brannten ganz ruhig, nur ein stetes, hypnotisches Tropfen war zu hören. Garth jedenfalls kam es stetig und regelmäßig vor, umso stetiger, je weiter Johns oder vielmehr Radus Wein sich in seinem Kreislauf ausbreitete. Nur war das Tropfen keineswegs regelmäßig, sondern nahm an Geschwindigkeit zu.
Allmählich bildeten sich auf der Plattform Pfützen gelben Harzes; und in dem steinernen Sarkophag sandte ein wahrer Lord der Wamphyri telepathische Sonden aus, die auf diese Entfernung gar nicht umhin konnten, ihr Ziel zu finden ...
»Mein Gott!«, entfuhr es Alan-vom-Moor, als er mit dem Alten John am Bottich von Radus Kreatur anlangte und im Schein von Johns Fackel die gewaltigen, wie Fassdauben aufrecht stehenden Granitblöcke erblickte, die, von Felsbrocken gestützt, die Umfassung des Bottichs bildeten. »Was zur Hölle ...?«
Der Alte John bedachte ihn mit einem merkwürdigen Blick. »Sagtest du eben ›Gott‹? Du glaubst also an Gott? Und nicht an ihn?«
Alan schüttelte den Kopf. »Du hast Umgang mit Menschen und redest mit ihnen, und am Ende denkst und redest du genauso wie sie. Du kannst von Glück sagen, John, dass du hier oben allein bist. Ich dagegen habe eine ganze Zeit lang in einer Brauerei gearbeitet und gesehen, wie Zigtausende Liter Bier in kleineren Bottichen als dem hier gebraut wurden!«
»Ah!«, meinte John. »Aber hier wird kein Bier gebraut. Hör’ nur!« Damit legte er das Ohr an den kalten Stein.
Alan tat es ihm gleich – und schnellte prompt wieder zurück. »Was ist das?«, wollte er wissen. »Etwa der Schlag eines Herzens? Aber das muss ja riesig sein!«
»Aye«, grinste John, indem er weiterlauschte. »Es ist riesig!« Doch schon im nächsten Augenblick wich das Grinsen aus seinem Gesicht und machte einem besorgten Stirnrunzeln
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