Vampirzorn
erscholl es auf einmal in Antonios Geist, so heftig, dass er zurückprallte. ER IST TOT UND ICH TREFFE ... MEINE VORBEREITUNGEN!
Antonio trat erneut an den Rand und stieß den Finger auf den Knopf, der die Winde in Betrieb nahm, um den Flaschenzug nach oben zu holen. »Vorbereitungen?«, fragte er, während der Motor sich dröhnend in Bewegung setzte, die Zahnräder ineinandergriffen und die Kette bebend über die Umlenkrollen lief. »Ach, tatsächlich?« Seine Stimme troff vor Sarkasmus. »Es gibt also etwas, worauf du dich vorbereiten musst, Vater? Auf den Tod vielleicht, den wahren Tod, wenn ich dieses stinkende Loch hier zuschütten lasse?«
Auf das Leben, entgegnete Angelo in beinahe erträglicher Lautstärke. Auf viele Leben! Und den Tod, ja. Aber Antonio, ach, mein Toni! Hast du denn gar nichts begriffen? Weißt du denn nicht, dass es auch im Tod noch Leben gibt? Insbesondere für unsereins? Ich und hier unten verfaulen? Aber das tue ich doch schon seit Langem, und ich sage dir, selbst aus der tiefsten Fäulnis vermag noch Leben zu entspringen.
»Leben im Tod? Den Untod meinst du?« Doch mittlerweile war Antonio sich nicht mehr ganz so sicher; sein Vater klang so trübsinnig und unheilschwanger.
Der Untod ist eine Sache, sagte das Ding in der Grube. Es gibt aber noch weitere Möglichkeiten, und auf eine davon bereite ich mich vor. Du hingegen ... du hast deine eigenen Probleme.
Die Plattform geriet in Sicht – und die alte Katrin befand sich immer noch darauf. »Was?« Antonio gingen schier die Augen über.
Und zwar gleich mehrere, fuhr sein Vater fort. Zum einen wird er kommen, so wie damals. Nur dass er diesmal nicht vorhat, dich bloß zu berauben. Und er kommt auch nicht allein ...
»Was?«, sagte Antonio abermals, indem er den Flaschenzug mit einem Ruck zum Stillstand brachte. Vor lauter Verwirrung schaltete er dabei den Strom wieder ein. Die Kette schwang gegen die offene Abdeckung, berührte sie ...
... Funken stoben, regneten an der Kette hinab, und drei Meter tiefer schwoll der auf der im Schacht baumelnden Plattform liegende Körper der alten Katrin mit einem Mal an wie ein grotesker Ballon – bis er platzte. Er brach einfach auf und enthüllte ein Stück von Angelo! Der alte Bastard, oder zumindest ein Teil von ihm, hatte vorgehabt zu entkommen. Aber wohin beziehungsweise in wen? In wen – das konnte Antonio sich sehr wohl vorstellen!
Doch noch war es nicht so weit, denn Katrins ausgeweideter Leichnam war zurückgesunken und wieder nichts weiter als eine leere Hülle. Und ein zerfurchter Kern aus purpur-grauem Protoplasma mit einem Durchmesser von fünfundzwanzig, dreißig Zentimetern und Dutzenden zuckender, wimpernartiger Tentakel, auf denen er sich vorwärtsbewegte, huschte wie eine wahnsinnig gewordene, fremdartige Spinne an der senkrechten Wand des Schachtes hinab.
»Zur Hölle mit dir!«, knurrte Antonio. »Das also sind deine ›Vorbereitungen‹! Hattest du das für mich vorgesehen? In mir weiterzuleben? Ein mutierter Egel aus deinem mutierten Körper, der in mir weiterleben sollte?«
Er ließ Katrins Leichnam nach oben kommen, schaltete den Strom ab und fegte ihre Überreste von der Plattform, sodass sie wie ein nasser Sack in den Schacht stürzte. Anschließend schaltete er den Strom wieder ein, schloss krachend das Drahtgeflecht der Abdeckung und sah zu, wie der »Atem« des Wesens aus der Grube wabernd emporstieg und zischend verdampfte, sobald er das Gitter berührte.
Wir sind nun mal hartnäckig, erklärte sein Vater, und Antonio spürte die Gereiztheit des alten Ferenczy, sein ungeduldiges mentales Achselzucken, mehr allerdings auch nicht, so als sei dies lediglich ein kleinerer Rückschlag. Es liegt in unserer Natur, in der deinen ebenso gut wie in meiner. Und, oh, ich bin noch lange nicht am Ende, mein Toni – noch nicht. Du hingegen schon. Denn er ist da. Sie sind da!
»Du bist ja verrückt!«, fauchte Antonio. »Ein durchgeknalltes Ding! Wer ist da?«
Du wirst deinem Bruder von Tag zu Tag ähnlicher, entgegnete Angelo. Er hat auch nie auf mich gehört ...
Hoch oben an der Wand schrillte eine Alarmklingel, und aus den oberen Geschossen war das Lärmen weiterer Sirenen zu vernehmen. Antonio starrte auf den silbrig glänzenden Hammer, der unablässig auf die Glocke schlug, dann wanderte sein Blick zurück in den Schacht. Lautlos formten seine Lippen Worte. »Er? Sie?«, stieß er hervor. »Meinst du etwa diesen verfluchten Dieb – und Radu? Aber das kann nicht
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