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Vampyrus

Vampyrus

Titel: Vampyrus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doreen Kühne
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holen. Wie in einem dichten Nebel schlurfte er durch die Werkstatt zur Stiege. Es war oben auf der Trockengalerie. Da war die Temperatur im Spätsommer ideal zum Aufbewahren. Zögernd setzte er den Fuß auf die erste Stufe. Seine Beine wogen Zentner, und es bereitete ihm Mühe, die steile Treppe emporzusteigen.
    Ihm war, als sei es erst gestern gewesen, dass der Dunkelhaarige mit dem wilden Blick die Haut gebracht hatte. Hans schüttete gerade verbrauchtes Gerbwasser in die hölzerne Rinne, die zur Pegnitz führte, als der Fremde mit langen Schritten die Gasse heraufkam. Sein unsteter Blick wanderte von rechts nach links, und immer wieder drehte er sich auch um. „He Junge, ist das die Gasse der Weißgerber?“ Hans blickte in schwarze Augen. Sie lagen in tiefen Höhlen und erweckten überschattet von dichten Brauen einen düsteren Eindruck. Das Gesicht des Fremden war von langen Koteletten, die auch einen Teil der Backen überwucherten, eingerahmt. „Ich suche Meister Siegert.“ Hans deutete hinter sich. „Er ist mein Meister.“
    Der Meister hatte alle sofort aus der Werkstatt geschickt, auch ihn. Obwohl sie am Kaminloch lauschten, konnten sie nur undeutliches Gemurmel der beiden hören, bis auf die Worte „Der Helläugige würde kommen“.
    Nachdem der finster blickende Mann aufgebrochen war, ging der Meister nach oben. Sie hörten, wie er den Wertkasten in der Stube auf-und wieder zuschloss. Dann scheuchte er mit barschen Worten alle Gehilfen zurück an die Arbeit, bis auf Peter, den jüngsten, den er zur Wirtschaft sandte, einen Humpen Bier holen.
    Vor einem halben Jahr war Hans noch der Jüngste gewesen. Er war sehr froh, es nun nicht mehr zu sein, trotz der Schläge und Schelte, die er vom Meister bekommen hatte. Denn der war gar nicht begeistert gewesen, als Hans im Kamin stecken blieb. Sie konnten ihn auch nicht mehr rausziehen, sondern mussten an der Stelle, wo er festsaß, das Holz entfernen. Von allen Arbeiten, die dem Jüngsten zusätzlich aufgehalst wurden, war das Reinigen des Kamins die meist gehasste. Schließlich wurde man da kopfüber durch den engen, dunklen Schacht geschoben. Es war schlimmer als das Leeren der Fäkaliengrube. Die stank zwar bestialisch, aber als Gerberlehrling hatte er jahrelang die Gerüche von Kot und Urin um sich und nahm sie manchmal schon gar nicht mehr wahr. Jedenfalls war er, obwohl der Meister an seinem Essen sparte, und er oft hungrig in seinem kleinen Verschlag in einer Ecke der Werkstatt einschlafen musste, in die Höhe geschossen. Solange es das Tageslicht erlaubte, schleppte er irgendetwas: volle Eimer, schwere Tierfelle oder rührte die vollgesogenen Häute im Bottich um. Seine Schultern waren breiter geworden, und er bekam einen muskulösen Oberkörper. Und nachdem er im Kamin stecken geblieben war, und der Meister den Neuen holte, stieg er endlich in der Hierarchie eine Stufe höher. Er musste nicht mehr die Werkstatt putzen, wenn die anderen schon Feierabend hatten. Außerdem erhielt er die Erlaubnis, an einem Abend in der Woche und an einem Sonntagnachmittag ein paar Stunden auszugehen.
    Damit hatte für Hans ein neuer Lebensabschnitt begonnen. Nicht nur, dass er sich von dem kargen Lohn in billigen Spelunken wie dem Flamboyant riesige Mahlzeiten leisten konnte und endlich auch mal satt wurde. Auch Nürnberg, die Stadt, in die ihn sein Vater damals gebracht hatte, erforschte er jetzt nach und nach. Er lauschte Erzählungen von Händlern und Fahrensleuten, er stellte Fragen und wurde weggejagt oder geohrfeigt, aber das hielt ihn nicht ab. Manchmal hatte er auch ein paar Pfennige übrig. Mit diesem Geld besuchte er Gaukler und Geschichtenerzähler, die durch die Stadt zogen. Besonders Letztere hatten es ihm angetan. Stundenlang konnte er ihnen lauschen und träumen. Dann wusste er eines gewiss. Auch er würde in die weite Welt ziehen, und alle die fantastischen Abenteuer und Absonderlichkeiten erleben.
    „Hans, nun spute dich, sonst zieh ich dir die Ohren lang!“, brüllte der Meister mit Ärger in der Stimme. „Komm ja gleich“, ohne Überlegung sprudelte er die Worte heraus. Der Meister duldete keinen Widerspruch, und bei Ungehorsam war Ohrenlangziehen noch die mildeste Bestrafung. Er hatte nicht so oft Schläge erwischt, aber der neue, Peter, lag oft wimmernd in dem kleinen Verschlag, dem er nun entwachsen war. Peter war ein wilder Bub. Er hatte nur Flausen im Kopf und drückte sich vor der Arbeit, wo er konnte. Stundenlang trieb er sich an der

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