Van Helsing
war. Aber es würde ihnen nicht helfen. Entschlossen versperrte er ihr den Weg. »Sie können Ihre Familie nur retten, indem Sie am Leben bleiben, bis Dracula getötet wird.«
»Und wer wird ihn töten, wenn nicht ich? Wer wird den Mut aufbringen, wenn nicht ich?«
»Wenn Sie allein losziehen, werden Sie unterliegen.« Er wies aus dem Fenster nach draußen, wo es mittlerweile dämmerte, und fügte hinzu: »Und Sie können im Dunkeln nicht sehen.«
Anna lachte nur und ging weiter. Van Helsing nutzte die Gelegenheit, die Lücke zwischen ihnen zu schließen, bis er nur noch Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt war. Da war etwas Vertrautes in ihren Augen, ein Ausdruck, den er schon einmal gesehen hatte: Nicht nur, dass sie bereit war zu sterben, sie rechnete sogar jeden Tag damit.
Und diese Einstellung machte Van Helsing gleich zwei Probleme. Erstens bestand ein Teil seines Auftrags darin, sie zu beschützen. Zweitens brauchte er sie und ihr Wissen für den anderen Teil: Dracula zu vernichten. Jetzt, da Mr Hyde ein für alle Mal erledigt war, war seine Leistungsbilanz perfekt: Er hatte noch nie bei einem Auftrag versagt, und das sollte auch so bleiben.
Er starrte ihr in die Augen und erklärte: »Am Morgen werden wir ihn zusammen jagen.«
Anna musterte ihn, bevor sie sprach. »Einige sagen, dass Sie ein Mörder sind, Van Helsing. Andere sagen, Sie sind ein heiliger Mann. Was ist richtig?«
»Beides, denke ich.« Er spürte einen Moment der Erleichterung; er hatte sie überzeugt. Es war kein großer Sieg, aber immerhin ein Anfang.
Ein angedeutetes Lächeln huschte über Annas Gesicht. »Ich habe Ihnen einen Drink versprochen. Die Bar ist am Ende des Korridors. Bedienen Sie sich. Was mich betrifft ...« Ihre Miene war entschlossen, und der Funke Humor in ihren Augen erlosch. »Ich gehe.«
So viel zum Thema Sieg ...
Anna nahm ein Schwert und steckte es in die Scheide. »Es tut mir Leid, dass Sie diese Last zu tragen haben«, sagte Van Helsing.
»Im Gegenteil«, erwiderte sie. »Ich möchte es gar nicht anders.« Van Helsing sah, dass sie es ernst meinte. Was war es, das sie motivierte? Was ihn antrieb, wusste er: Er wollte wissen, wer er war, wollte seine Vergangenheit zurückgewinnen. Außerdem war das Ganze sein Job, und darin war er gut. Das genügte, um ihn alle Zweifel besiegen zu lassen.
Sie war stark, aber er wurde das Gefühl nicht los, dass noch etwas anderes dahinter steckte. Ihre Familie? Ihre Tradition? Zu seiner Überraschung stellte Van Helsing fest, dass er neugierig auf sie war – dass er sich für Dinge interessierte, die mit der aktuellen Situation, mit seinem Auftrag, nicht direkt etwas zu tun hatten. Das passte nicht zu ihm. Natürlich, alles würde verloren sein, wenn die Prinzessin getötet wurde. Er beobachtete, wie sie nach einem gefährlich aussehenden Helm griff, schwarzes Metall mit scharfen Metallkränzen.
»Die Sache mit Ihrem Vater und Bruder tut mir Leid«, sagte er, um sie aufzuhalten. Wenn er sie dazu brachte, über die bisherigen Opfer nachzudenken, würde sie vielleicht auch darüber nachdenken, wie sie die Ziele erreichen konnte, für die sie gestorben waren.
»Ich werde sie wieder sehen«, erwiderte sie. Als sie die Irritation in seinem Gesicht sah, fügte sie hinzu: »Wir Transsilvanier können dem Tod auch etwas Positives abgewinnen.«
»Etwas Positives?«
»Ja, auch wenn das nicht einfach ist.« Mit diesen Worten setzte die Prinzessin ihren Helm auf und wandte sich zur Tür. Kurzerhand ergriff Van Helsing sie am Arm, zog sie zu sich herum und hielt eine Hand zwischen ihre Gesichter. Dann blies er ihr das blaue Pulver in seiner Hand ins Gesicht.
Die Prinzessin fiel ohnmächtig nach hinten gegen eine Wand. Van Helsing fing sie auf, bevor sie zu Boden sank. »Auch das tut mir Leid.«
Er hatte sie daran gehindert, hinaus in die Nacht zu gehen, sich Dracula allein zu stellen. Ein weiterer kleiner Sieg. Von jetzt an würde Van Helsing nicht mehr klein beigeben.
»Hör auf deinen Bruder«, sagte Mama.
Anna stand da, stumm und innerlich kochend.
»Anna«, mahnte Mama mit erhobener Stimme.
»Ich bin bereit«, erwiderte sie.
»Es ist zu gefährlich«, wandte Velkan ein.
»Ich komme schon allein zurecht; selbst Papa sagt...«, begann Anna trotzig.
»Papa ist nicht hier, und bis er kommt...«, unterbrach Velkan.
»Du hast mir gar nichts zu befehlen.« Anna fluchte im Stillen darüber, dass ihre Stimme zu hoch, fast schon schrill klang. Dann drehte sie sich um und
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