Van Helsing
ins Grab nehmen.«
Er war tatsächlich stark, wenn er ihm sogar jetzt noch innerlich Widerstand leistete. Dracula hatte seine Freude daran. Er trat an den schmutzigen Eisenkäfig, im dem Frankensteins Kreatur einst zum Leben erweckt worden war. Dem neuen Insassen war dieses Glück nicht beschieden – in der Apparatur lag eine völlig verkohlte Leiche.
»So bald wirst du nicht sterben. Du wirst mir noch von einigem Nutzen sein«, erklärte Dracula voller Vorfreude auf das, was er Velkan antun wollte.
»Eher sterbe ich, als dass ich dir helfe«, fauchte Velkan.
»Sei nicht so langweilig! Wer das sagt, lebt nicht mehr lange«, entgegnete der Graf. Bei Victor Frankenstein war es jedenfalls so gewesen. Dracula löste die Metallbügel von der Leiche. »Außerdem hast du ab heute Nacht, wenn es erst einmal Mitternacht geschlagen hat, gar keine andere Wahl mehr, als mir zu gehorchen.«
Dracula riss mit einer Hand den verkohlten Leichnam aus dem Käfig und warf ihn Velkan vor die Füße. »Kommt dir der bekannt vor?«, fragte er gespannt.
Velkan sah sich die verkohlte Gestalt genauer an und erkannte plötzlich, wen er vor sich hatte. »Vater«, flüsterte er. Der Schmerz stand dem Prinzen ins Gesicht geschrieben, als ihm klar wurde, dass sich sein Vater, seit er verschwunden war, in Draculas Gewalt befunden hatte. Es war Velkan deutlich anzusehen, wie er sich vorstellte, welche Grausamkeiten der Graf seinem größten Feind Lord Valerious zugefügt haben mochte.
Dracula war gnadenlos bei seiner Nemesis vorgegangen. Letzten Endes war Valerious zu schwach gewesen. Doch auch im Tode hatte er sich noch als nützlich erwiesen. Dracula hatte Frankensteins Experiment an Lord Valerious' Leiche wiederholt – natürlich ohne Erfolg, aber durch den Versuch hatte er einige Korrekturen an dem wissenschaftlichen Experiment vornehmen können.
Der Graf hätte die Qualen, die sich in Velkans Gesicht spiegelten, gern länger genossen, aber er hatte Wichtigeres zu tun. Er packte den Prinzen, hob ihn hoch und warf ihn in den Käfig.
Igor erteilte den Dwergi barsche Befehle, und rasch schnallten sie Velkan fest.
»Er war unbrauchbar. Aber da du nun das Werwolfgift im Blut hast, hoffe ich, du wirst von größerem Nutzen für mich sein.« Der Graf drückte Velkan den rostigen Helm auf den Kopf und schloss die daran befestigten Drähte und Elektroden an die Dynamos an. Velkan, der sich inzwischen von seiner letzten Verwandlung erholt hatte, kämpfte heftig gegen seine Fesseln an. Er bot sogar eine durchaus passable Demonstration menschlicher Stärke und Leistungsfähigkeit, fand der Graf, aber alle Gegenwehr war natürlich zwecklos.
»Mir ist es nicht gelungen, dich zu töten, Graf, aber meine Schwester wird dich zur Strecke bringen!«, schwor Velkan trotzig und versuchte vergeblich, sich aufzubäumen.
Anna und Van Helsing ritten Seite an Seite die verschneite Landstraße hinunter. Aufmerksam ließ Van Helsing den Blick immer wieder über Wald und Straße streifen. Dabei registrierte er mit Interesse, dass auch Anna sich häufig umsah. Sie machte sich große Sorgen um ihren Bruder, und trotzdem hatte es den Anschein, als suche sie den Kampf mit den dunkelsten Kräften dieser Welt und der nachfolgenden.
»Ich tue das alles aus ganz persönlichen Gründen: Es geht um die Familie und die Ehre«, erklärte Anna. Das konnte Van Helsing nachvollziehen, zumindest auf Verstandesebene. Er selbst hatte keine Familie, derer er gedenken konnte. Die Prinzessin sah ihn neugierig an. »Und warum tun Sie es?«, fragte sie. »Ihre Tätigkeit – was erhoffen Sie sich davon?«
»Ich weiß nicht ... so etwas wie Selbsterkenntnis vielleicht«, sagte er, aber im Vergleich zu Annas Beweggründen kamen ihm seine recht unbedeutend vor.
»Was hat die Arbeit Ihnen bisher gebracht?«, hakte sie nach, als hätte sie seine Gedanken erraten.
»Rückenschmerzen«, entgegnete er mit einem Anflug von Humor in der Stimme. Anna lächelte, und Van Helsings Mundwinkel gingen unwillkürlich nach oben. Der heitere Augenblick endete jäh, als ihnen weiter vorn auf der Straße etwas ins Auge stach. Gleichzeitig sprangen sie vom Pferd. Anna erreichte die Stelle als Erste und hob ein Büschel langer, drahtiger Haare vom Boden auf.
»Werwölfe können nur vor ihrem ersten Vollmond das Fell abwerfen. Bevor der Fluch vollends von ihnen Besitz ergreift«, erklärte sie.
Blitze zuckten über den Himmel, und Sekunden später donnerte es. In einiger Entfernung ragte ein
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