Van Helsing
bremste ab.
»Mein Fehler: falsches Fenster!«
»Woher wissen Sie das?«
»Ist nur so eine Ahnung.« Dann nahm er einen üblen Gestank wahr und eilte mit Anna weiter – die Vampire waren ihnen dicht auf den Fersen, das wusste er. Schon bald hörte er Draculas Lachen durch den Palast hallen. Wieder und wieder bog er ab, um die Meute abzuschütteln. Erneut seinem Instinkt folgend, führte er die Prinzessin eine Treppe hoch und durch eine große Flügeltür. Die Vampire schienen aufzuholen. Eilig verriegelten Van Helsing und Anna die Türe hinter sich und hofften, sie würde wenigstens ein paar Sekunden halten.
Schon ertönte lautes Hämmern, und die beiden liefen, so schnell sie ihre Füße trugen, den Korridor hinunter. Einen Augenblick später kam Carl um die nächste Ecke und sah ihnen entgegen.
Als Van Helsing und Anna auf ihn zustürzten, hielt er den Lava-Sprengsatz aus der Waffenkammer des Vatikans hoch. »Jetzt weiß ich, wozu der gut ist«, sagte er mit einem leicht süffisanten Grinsen. Dann fragte er Van Helsing: »Wohin des Weges?«
Er stand direkt vor einem weiteren großen Buntglasfenster, und Van Helsing und Anna riefen gleichzeitig: »Durch das Fenster!«
Carl zuckte mit den Schultern, zog den Stift von seiner Wunderwaffe und stellte sie vorsichtig auf dem Boden ab. Van Helsing und Anna nahmen ihn in die Mitte; gemeinsam sprangen sie durch das Fenster, stürzten zwei Stockwerke in die Tiefe und landeten im Wasser. Van Helsing tauchte komplett unter, und als er wieder auftauchte, waren Carl und Anna bei ihm. Ein durchdringender Gestank umfing sie: Es roch nach Schimmel und Verwesung.
Sie befanden sich in alten, modrigen Katakomben, vielleicht vier Meter unter der Erde. Ringsum gingen Tunnel und stinkende Rinnsale ab.
Plötzlich gab es im Palast über ihnen eine gewaltige Explosion. Einen Augenblick später regneten Fleischbrocken und Eingeweide herab. Der Gestank war mehr als furchtbar – dabei hatte Van Helsing den Geruch der Vampire schon unerträglich gefunden, als sie noch ganz gewesen waren.
»Carl, Sie sind ein Genie«, bemerkte er.
Der Geistliche blickte angesichts seines jüngsten Experiments ein wenig besorgt drein. »Ein Genie mit Zugang zu gefährlichen Chemikalien.«
Neuer Lärm brach hinter ihnen los, und Van Helsing merkte, dass sein Gehör und sein Geruchsinn um ein Vielfaches stärker geworden waren. Er drehte sich um und erblickte ein großes Boot mit einem Dutzend dieser schrecklichen Dwergi, denen Draculas Assistent Befehle zubrüllte ... und mit Frankenstein, der an den Bootsmast gefesselt war.
Ohne Zögern schwamm Van Helsing auf das Boot zu. Die Dwergi tauchten ihre Ruder ins Wasser und machten Tempo. Van Helsing schwamm schneller.
Das Boot ließ den Tunnel rasch hinter sich, und als es in einen größeren Fluss gelangte, wurde hinter ihm ein schweres Eisengitter heruntergelassen. Van Helsing sah, wie der Bucklige Frankenstein den Kopf tätschelte und sich zu ihm vorbeugte, um mit ihm zu sprechen. Eigentlich hätte Van Helsing auf diese Entfernung nichts hören können, aber er vernahm die Worte so klar, als flüstere sie ihm jemand ms Ohr.
»Sag deinen Freunden Lebewohl ...«, säuselte Draculas Diener. Frankenstein heulte vor Schmerz und Enttäuschung. Igor fuhr fort: »... denn wohin wir dich bringen, wissen nur Gott und der Teufel!«
Van Helsing zwang sich, noch schneller zu schwimmen. Es war knapp, sehr knapp ...
Und dann knallte das Gitter vor seiner Nase zu und schnitt ihm den Weg ab. Das Boot mit Frankenstein war nur einen Steinwurf von ihm entfernt, aber dennoch unerreichbar. Frankensteins Gesicht erstarrte zu einer Maske der Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit — ein einsamer, verzweifelter Mann, den schon die Menschen gejagt hatten und der nun einem noch viel übleren Wesen in die Hände gefallen war.
»Ich finde dich! ... Ich hole dich zurück und lasse dich frei, ich schwöre bei Gott!«, rief Van Helsing.
Da stieß plötzlich ein großer Schatten auf ihn herab und kratzte mit den Klauen an dem Metallgitter. Funken stoben ... Dracula!
»Gott hat dir noch nie geholfen, Van Helsing. Warum sollte er ausgerechnet jetzt damit anfangen?«
Van Helsing hörte Draculas Braut lachen und sah den beiden dunklen Schatten hinterher. Anna und Carl kamen zu ihm, und er spürte die Hände der Prinzessin auf seinen Schultern.
»Kommen Sie, wir müssen nach Schloss Frankenstein, wenn wir sie erwischen wollen«, sagte sie.
Er drehte sich ruckartig um. »Ja, ich
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