Van Helsing
Umhang und hielt sie Igor vor die Nase. »Jedes Mal wenn du zögerst oder sie auch nur den Verdacht haben, dass du sie in die Irre führst...« Er reichte Anna die Zange »... dann schneiden Sie ihm einen Finger ab!«
»Mit Vergnügen!«
»Passen Sie nur auf, dass er auf dem Hinweg noch genug Zehen zum Laufen hat«, bemerkte Van Helsing.
Verängstigt zeigte Igor auf zwei Wendeltreppen. »Die Treppe rechts führt hinauf in den schwarzen Turm. Da ist es.«
»Und die linke Treppe?«
Igor zögerte, und Van Helsing wollte schon zur Zange greifen. »In den Teufelsturm! In den Teufelsturm! Dort haben wir das Laboratorium eingerichtet. Ich würde Sie doch nicht anlügen!«
»Nicht, wenn du leben willst.« An Carl gerichtet, sagte Van Helsing: »Wenn ich beim zwölften Glockenschlag nicht geheilt bin ...« Er zog einen silbernen Pflock aus seinem Umhang und reichte ihn dem Geistlichen, der entsetzt die Augen aufriss und den Kopf schüttelte.
»Ich glaube nicht, dass ich das kann.«
»Sie müssen«, drängte Van Helsing. Er bürdete Carl diese Last nur ungern auf, aber wenn Carl es nicht tat, dann musste – und würde – es die Prinzessin tun. Und Van Helsing wollte nicht, dass sie den Preis für diese Tat bezahlen musste.
Carl nickte und nahm den Pflock. Dann packte er Igor am Genick und schob den Buckligen auf die Treppe zu. »Los geht's!«
Van Helsing sah Anna in die Augen, und die Zeit schien still zu stehen. Sie hatte Angst, genau wie er, und rüstete sich innerlich für das, was auf sie zukam. In ihren Augen sah er etwas von sich selbst, aber auch vieles, das neu für ihn war, exotisch und aufregend – und über das er gern mehr erfahren hätte. Aber vor allem sah er etwas, für das es sich zu kämpfen lohnte. Er hatte etwas Wichtigeres gefunden als die Suche nach der eigenen Vergangenheit.
»Lassen Sie sich nicht töten!«, sagte er.
Sie sah ihn an, und ihr Gesicht spiegelte wider, wie überzeugt sie ihr höchstes gemeinsames Ziel anging. »Sie haben es immer noch nicht verstanden. Es spielt keine Rolle, was mit mir geschieht. Wir müssen meine Familie retten.«
Anna wollte gehen, aber er hielt sie zurück. »Wenn Sie zu spät kommen, laufen Sie wie der Teufel!«, riet er ihr. Sie nickte, aber er konnte sie noch nicht loslassen. »Am besten kommen Sie gar nicht erst zu spät!«
Lächelnd wandte sie sich ab, aber da war noch etwas, das er ihr klarmachen musste. Van Helsing zog sie an sich und küsste sie; erst leidenschaftlich, dann sanft, dann wieder leidenschaftlich. Sie erwiderte den Kuss mit ebenso viel Inbrunst. Das Gift in seinen Adern, Draculas Plan für die Welt, die eigene Vergangenheit – alles war vergessen, und Van Helsing verlor sich in dem Kuss. Anna überraschte ihn erneut, indem sie etwas tat, wozu er niemals fähig gewesen wäre: Sie machte sich von ihm los. Sie schenkte ihm einen Blick, der alles verhieß, dann drehte sie sich um und folgte Carl.
Dracula beobachtete, wie die Dwergi letzte Hand an Victor Frankensteins Ausrüstung anlegten. Das Monster lag gefesselt und festgeschweißt in dem Eisengehäuse und brüllte zornig. Der Graf ging zu ihm hinüber und fragte: »Worüber beschwerst du dich?«
Einer Antwort gleich erwachte das ganze Laboratorium zum Leben. Zwischen den Dynamos bildeten sich hohe Lichtbögen, Zahnräder kamen in Schwung, Keilriemen strafften sich und die Maschinen begannen zu laufen.
»Deshalb wurdest du gemacht: als Beweis, dass Gott nicht der Einzige ist, der Leben erschaffen kann!«, rief Dracula in einem Tonfall, als wolle er einem dummen Kind etwas erklären.
Der Graf drehte an einem Schwungrad, um das Monster in die Höhe zu hieven. »Und nun wirst du meinen Nachkommen Leben spenden.«
Das Monster brüllte vor Wut und Verzweiflung. Typisch für die Lebenden: unfähig, über die eigene erbärmliche Existenz hinauszuschauen, dachte Dracula. Das Monster begriff nicht, dass es Teil einer neuen Ordnung war, die sich schon bald auf der ganzen Welt ausbreiten würde. Und auf der Asche der alten würde Dracula dann eine ganz neue Welt schaffen – nach seinen Vorstellungen.
Der Graf trieb das Schwungrad noch kräftiger an.
14
Van Helsing nahm je zwei Stufen auf einmal, dann drei, und sein Herz schlug immer schneller, je näher er dem Laboratorium kam, in dem Frankenstein wartete ... und Dracula.
Van Helsing hatte die Hälfte des Weges geschafft, als sich neben der Wendeltreppe eine Öffnung auftat. Er steckte den Kopf hinein und blickte in den Schacht,
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