Vanhelsing 01 - Schreckensgalerie
versucht, Bilder an den Mann zu bringen!"
Während Tom sich noch etwas mit der Galeristin unterhielt, schritt ich an den Gemälden vorbei, die in diesem ersten von insgesamt fünf Ausstellungsräumen untergebracht waren. Den Namen Allan Brennan suchte ich vergeblich.
Also sagte ich schließlich: "Zeigen Sie uns doch etwas von Mr. Brennan! - Falls Sie noch etwas vorrätig haben!"
"Gerne."
Evelyn Sounders ging uns voran. Ihre hochhackigen Schuhe klapperten auf dem dunklen Parkettboden. Die Galeristin führte uns in einen anderen Raum, der, wie sie sagte, ganz der Kunst des Allan Brennan gewidmet sei.
Der erste Eindruck war in der Tat überwältigend.
Dämonengesichter, Kreaturen von unbeschreiblicher Fremdartigkeit, krakenähnliche Ungeheuer, eigenartige Mischwesen aus Tier und Mensch... Das waren die Themen, die dieser Maler sich gestellt hatte. Mit geradezu gespenstischer Plastizität vermochte er es, diese Schreckenswesen auf die Leinwand zu bannen. Die Augen dieser Kreaturen leuchteten regelrecht. Ihre Blicke waren so intensiv, daß einem schaudern mußte. Als ob sie dich wirklich beobachten! ging es mir fröstelnd durch den Kopf.
Grausame, kalte Blicke waren es, aus denen die blanke Mordlust herausleuchtete. Fratzenhafte Gesichter, deren Anblick einem das Blut in den Adern gefrieren lassen konnte.
Nur ein Bild schien nicht zu den anderen zu passen.
Es stellte einen jungen Mann in einem zerknitterten Jackett und mit dutzendfach geflickten Jeans dar. Das blonde Haar war leicht gelockt und hing ihm auf Kinnlänge herunter.
Dieses Gesicht...
Blaue Augen sahen mich mit einem Ausdruck an, der eine Mischung aus Verzweiflung und tiefstem Schmerz darstellte.
Ich mußte unwillkürlich schlucken, als ich das Gesicht erkannte.
J im Field! durchzuckte es mich. Dieser Mann sieht aus wie Jim Field...
Ich blickte auf das Datum. Das Bild war keine drei Wochen alt, wenn man nach der Signatur ging...
*
Jim Field war der Star-Fotograph der LONDON EXPRESS NEWS gewesen. Durch Machenschaften einer verbrecherischen Weltuntergangssekte mit der Bezeichnung ORDEN DER MASKE war Jim im Dschungel von Kambodscha ums Leben gekommen. In den Klosterruinen von Pa Tam Ran hatte uns der Geist von Meister Heng Tem damals vage Hoffnungen darauf eröffnet, daß Jim Field möglicherweise noch irgendwo jenseits von Raum und Zeit weiterexistierte. >"Nichts geht verloren">, so hatten die Worte des Meisters damals gelautet.
Tom und ich hatten noch oft daran denken müssen. Zu Anfang meiner Zeit bei den LONDON EXPRESS NEWS hatte ich oft mit Jim zusammengearbeitet und ein Team gebildet. So manches Abenteuer hatten wir gemeinsam bestanden und eine Zeitlang war Jim sogar insgeheim in mich verliebt gewesen. Ein Gefühl, daß ich nie erwidert hatte, denn obwohl ich die witzige, sehr offene und unkonventionelle Art dieses Blondschopfs sehr mochte, war er doch alles andere als der Mann meiner Träume gewesen.
Eine tiefe Freundschaft hatte uns verbunden.
Um so schmerzlicher war der Verlust damals gewesen, als Tom und ich ihm nach Kambodscha nachreisten, um sein Schicksal aufzuklären.
"Nichts geht verloren..."
Immer wieder hallte dieser Satz des Mönchs aus Pa Tam Ran in diesen Sekunden in meinem Kopf wieder. Es schien mehr Weisheit darin zu liegen, als ich in jenem Moment hatte glauben wollen.
Wie um alles in der Welt kommt Jims Gesicht auf dieses Bild? durchzuckte es mich. Das Bild war nach seinem Tod gemalt worden. Blieb nur die Möglichkeit, daß der Künstler eine Fotographie des ehemaligen Star-Fotographs besaß...
Allerdings erschien mir auch das reichlich unwahrscheinlich, denn es waren zwar Tausende von Fotos im Umlauf, die Jim Field geschossen hatte - aber so gut wie überhaupt keins, auf dem er selbst zu sehen war.
Und außerdem war da dieser Ausdruck seines Gesichts.
Dieser Schmerz, diese Qual...
"Ich kann es nicht glauben!" flüsterte Tom neben mir, der Jim ebenfalls sofort erkannt hatte.
Ich wandte mich an die Galeristin.
"Dieses Bild unterscheidet sich stark von den anderen", stellte ich fest.
Auf Evelyn Sounders' Gesicht erschien ein etwas verkrampftes, fast verlegen wirkendes Lächeln.
"Ja, das mag schon sein...Möglicherweise hat der Künstler seine - wie soll ich sagen? - Dämonenphase mittlerweile hinter sich, beziehungsweise ist gerade dabei, sie zu überwinden. Wer kann schon wissen, was im Gehirn eines Genies vor sich geht, welche Kräfte letztlich dafür verantwortlich sind, daß es sich in die eine oder andere
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