Vanilla High (German Edition)
Ich nähere mich Saint Paul. Eine Zeit lang habe ich größeres Interesse gehabt, mir hier eine Wohnung zu nehmen. Die westliche Lage sorgt für weniger Regen, und ich bin ein großer Fan des Paulus, fühle mich selbst wie ein kleiner Paulus, der vorher ein Saulus war. Nicht dass ich früher ein schlechterer Mensch gewesen wäre, aber ich habe zu einfachen religiösen Wahrheiten gefunden und das Wichtigste: Manchmal fühle ich Gott. Ich weiß, dass er existiert, weiß, dass er sich für mich, für uns alle interessiert. Die vielen hinduistischen Gottheiten waren mir doch arg fremd. Ich glaube, sie interessieren sich nicht wirklich für die Menschen. Gott ist ein Gott der Menschen, natürlich auch der Gott der Tabok, aber diese scheinen die Idee des Christentums nicht so interessant zu finden. Ich rechne ihnen hoch an, dass sie hundert Jesuitenpater auf diese Insel geholt haben. Ich danke ihnen auch für die Rabbis und die Imame, die dem gleichen Gott dienen. Es ist eine lange Geschichte, dass ich Katholik wurde. Meine Liebe zur Kirche ging aber nie so weit, dass ich mich einem Orden hätte anschließen wollen. Ich habe auch meine weltliche Seite. Ich liebe die Frauen, wenn ich auch nicht sagen kann, dass die Frauen mich lieben. In diesem Punkt bin ich ein Pechvogel, der aber seine Hoffnung mit 46 noch nicht aufgegeben hat. Ich habe keine Lust auf die Redaktionssitzung. Das ist eine momentane Laune. Der Memento ist die interessanteste Zeitschrift der Welt, denn sie ist die Einzige, die Interviews mit Außerirdischen führt. Ich selbst habe ein paar gemacht, hab Kontakte zu ihnen geknüpft. Mein Bruder war auch behilflich. Sein Park wird öfters von ihnen aufgesucht. Sie teilen mit mir den Genuss am Rausch. Man kriegt sie oft zu sehen. Sie haben eine Leidenschaft fürs Joggen. Es ist imposant zu sehen, wie sich ihre großen blauen Körper mit Geschwindigkeiten von bis zu 50km/h bewegen. In diesem Tempo können manche die ganze Insel umrunden. Sie stehen auf die Vanille meines Bruders. Sie haben sich nie dazu geäußert, was sie auf diese Insel geführt hat. War es Vanille? Oder die Tatsache, dass hier verschiedene Kulturen auf engstem Raum leben? Aber dann hätten sie auch nach Mauritius gehen können. Vielleicht interessieren sie sich für den Piton. Man kann leicht Minderwertigkeitskomplexe bekommen, wenn man auf sie trifft. Sie sind uns körperlich und geistig hoch überlegen. Sie sind durchaus Individuen, obwohl ich sie nicht richtig auseinanderhalten kann. Ihr durchschnittlicher IQ liegt bei 150, gemessen am menschlichen Standard. Wir sind in ihrer Hand, die Menschheit ist in ihrer Hand, aber sie beschränken sich auf Reunion. Was wollen sie hier? Vanille rauchen? Sie könnten Vanille-Pflanzen mitnehmen und sich auf ihre Heimatwelt verpissen. Sie haben die Wirkstoffe in ihrer Kombination analysiert, könnten sie mit Sicherheit nachbilden, aber nein, sie rauchen die Schoten meines Bruders. Einer hat mir mal erzählt, der Rausch müsse am Anfang dem gleichen, den Menschen von Stropharia bekommen, danach würde ein Zustand absoluter Klarheit erreicht. Erreichen sie das Nirwana mit Rückfahrkarte? Ich möchte noch einige Interviews mit meinen Freunden machen. Wir teilen die gemeinsame Freude am Rausch. Für mich ist dies nicht nur ein sinnliches Vergnügen, ein Zustand des körperlichen Wohlbefindens, sondern ich fühle mich auch der Schöpfung näher, besonders an Plätzen wie dem Park meines Bruders oder an einem schönen Strand. Diese gemeinsame Freude ist wohl auch das einzig Gemeinsame. Sie sind so anders, geschlechtslos, nackt, unbehaart, zwei – oder vierarmig und sie haben Vorkehrungen getroffen, ihr Altern zu stoppen. Sie scheinen keine Kinder zu kennen, jedenfalls habe ich noch keinen kleinen Tabok gesehen. Der Wunsch nach Unsterblichkeit widerspricht sich mit dem Wunsch nach Kindern. Sie wollen mit ihrem medizinischen Können die Menschheit beglücken, aber was ist eine Menschheit ohne Kinder? Sie sind recht zurückhaltend mit dem Transfer von Technologie. Sie haben den Fusionsreaktor, sie kennen die spottbillige Solarzelle. Mit ihrem Wissen wären die Energieprobleme der Welt gelöst, sie aber halten sich bedächtig zurück. Die Lebensverlängerung scheint ihnen wichtiger zu sein. Der Blueprint ist raus, ein kleiner Teil unserer Bevölkerung hat sich behandeln lassen. Wir leben in einem ökonomischen Paradies. Die Energie die mein 112E verfährt, stammt aus ihren Anlagen. Überall sind ihre Roboter
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