Vanilla High (German Edition)
paar Augenblicke, bis ich sage, dass ich mit dem Anschlag nichts zu habe. „De Grey ist ein netter alter Mann“ - „Wer ist de Grey?“ - „De Grey ist derjenige, der das Projekt der Lebensverlängerung in den Staaten leitet. Er hat zeit seines Lebens daran gearbeitet, die Lebensspanne der Menschen drastisch zu erhöhen. Ich glaube seit 1995, zumindest seit der Jahrtausendwende. Ich muss aber für meine Reportage noch recherchieren. Ein netter alter Mann, der mir sogar einen Drink ausgegeben hat. Das Life Center war sein ganzer Stolz.“ Ich belüge meinen Bruder ungern. Vermutlich merkt er etwas, wenn ich ihn belüge. Ja klar, die letzten Sätze waren die Wahrheit, aber alles war Ablenkung von der Wahrheit, dass ich ein Terrorist bin, wenn auch so eine Art Ein-Tags-Fliegen-Terrorist, der nie eine Chance bekommen wird, seine terroristische Existenz fortsetzen zu können. Ich trinke weiter, das Ganja beginnt zu wirken, der Park um mich herum, im Vollmondschein, wird immer magischer. Ich blicke zur Mondschaukel, auf den man zu zweit sitzen kann. Ich habe mit Elisabeth auf der Mondschaukel gesessen und ich glaube auch mit Fanny Michelin. Nein, mit Alina Magdalena habe ich nicht auf der Mondschaukel gesessen. Ich glaube, sie hat keinen Sinn dafür. Mein Bruder raucht einen weiteren Joint, für mich eine Gelegenheit einen Zigarillo zu rauchen. Selbst das war in den Staaten verboten. Jedenfalls in Hotelzimmer. „Ich glaube, wir bekommen Besuch.“ Ich löse mich aus meinen Gedanken. „Besuch?“ - „Ja, ich denke, da steht ein Tabok und ich glaube, er möchte sich zu uns setzen. „Richtig“, sagt der Tabok. „Dies ist der Platz, an dem die Vanille ihre inspirierende Wirkung zeigt. Dies ist mein Platz. Nennt mich Paul“ - „Ich kenne dich Paul“, sagt mein Bruder.
„Hallo Paul“, sage ich. Die Tabok nehmen oft gern - wohl zeitweise – menschliche Namen an, weil sie wissen, dass wir ihre wirklichen Namen praktisch nicht aussprechen können, genauso wenig wie ich sie voneinander unterscheiden kann. Es gibt Größere und Kleinere, aber ihre Staturen weichen nicht sehr voneinander ab. Selten haben sie nur zwei Arme. Sie tendieren nicht dazu, sich mit Kleidungsstücken zu kleiden, sind fast immer nackt. Ich bin mir aber sicher, dass, wenn ich einzelne Individuen näher kennenlernen würde, ich sie voneinander unterscheiden könnte. Paul beginnt, mit zweien von seinen vier Händen, seinen Vanillejoint zu drehen. Mein Bruder fragt ihn, ob er ihm etwas Wasser anbieten könnte. Alkohol verschmähen sie. Ich stelle mir aber vor, dass Alkohol universell einen Rausch bei Wesen, die eine ähnliche Biologie mit uns teilen, auslösen müsste und die Tabok haben eine recht ähnliche Biologie zu uns. Ich kenne die genauen Gründe nicht, warum sie Alkohol verschmähen, es können aber nicht die amerikanischen Gründe sein, denn rauschfeindlich sind sie offenbar nicht. Der Vanillejoint veranlasst mich, weiteres Ganja zu nehmen. „Ich bin Arul Ramassamy, der Bruder von Arun“, sage ich zu der Kreatur. „Ich habe von dir gehört. Du warst einer der Letzten, die das noch intakte Life Center in Vancouver besichtigt haben.“ Seine Aussage macht mich stutzig. Recherchieren die Tabok gegen mich? Haben sie eventuell Kontakt mit den Amerikanern? „Eine schlimme Tat“, sage ich. „Man muss die Auseinandersetzung mit der Lebensverlängerung mit anderen Mitteln führen. Mit Mitteln des Wortes, mit Fakten.“ Es hat wohl keinen Sinn, vor ihm zu leugnen, dass ich ein Gegner der Lebensverlängerung bin. Zumal ich die Diskussion mit den Tabok führen will. Paul nimmt seine ersten Züge. „Mein inneres Universum wird sich entfalten. Die Vanille deines Bruders tut sehr gut.“ - „Ja, mein Bruder hat hier einige Pflanzen wachsen, die die Grenzen des Bewusstseins verschieben, nicht alles probiere ich, aber sein Ganja ist sehr gut für mich.“ - „Es muss sehr eigentümlich wirken. Wir haben keine Cannabinoid-Rezeptoren“ - „Vanille ist für uns ein schmackhaftes Gewürz, nichts weiter.“ - „Sie ist chemisch nicht weit von Meskalin entfernt, welches ja für euer Bewusstsein dramatische Folgen hat. Bei uns wirkt der Stoff des Kaktus nur leicht“ - „Was ich nicht verstanden habe, ist, warum ihr synthetische Vanille meidet“ - „Synthetische Vanille ist wie Fusel, erst die vielen Stoffe der Bourbon-Vanille in Kombination bewirken den Zustand, den du Erleuchtung nennen würdest“ - „Das habe ich nie verstanden. Das
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