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Vanilla High (German Edition)

Vanilla High (German Edition)

Titel: Vanilla High (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Milk
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Lebensverlängerung, aber de Grey zum Beispiel verachte ich nicht. Er handelt nach seiner Überzeugung. Ich teile sie nicht, ich hasse sie, aber ich habe Respekt vor dem Mann, der mir auch nicht unsympathisch war. „Der Klassenfeind kann eine bezaubernde Geliebte sein“, ein Zitat, von wem, weiß ich nicht. Wie halte ich es mit Frauen, die untreu sind? Insbesondere, wenn ich davon profitiere. Ich kann Elisabeth nicht verurteilen, nein, nie und nimmer. Auch dann nicht, wenn sie mit mir geschlafen hätte. Bei Alina Magdalena ist das etwas anderes. Sie geht auf Reisen, ihre journalistische Arbeit bring das mit sich, und sie betrügt regelmäßig ihren Mann. Ich verachte das im Grunde, aber vielleicht haben sie vereinbart, dass sie das dürfen. Meine Religion neigt zur Verurteilung. Ich frage mich, ob ich Objekt meiner Verachtung bin, ob ich genügend Selbstachtung habe, den Sklaven in mir, der Frauen wie Alina Magdalena dienen will, zu bändigen. Ich verachte ihn, aber dieser Sklave ist gleichzeitig Herr über mich. Dieser Sklave ist zu allem imstande, zu Verrat, zu Verrat an meinen wichtigen Überzeugungen. Fazit: Ich traue mir nicht selbst über den Weg. Ich habe das Potenzial, mich und alle meine Überzeugungen zu verraten, um weiter Sklave zu sein. Der Traum um Fanny Michelin hat es gezeigt, aber nein, ich habe gehört, man könnte im Traum Menschen töten, obgleich man es in der Wirklichkeit nie tun würde. Ich beginne zu bedauern, dass ich das Stück nicht weiter verfolgt habe. Vielleicht, ja vielleicht hätte ich ein Gewinn machen können. Egal, mein Flug nach Reunion geht bald, in Vancouver ging eine Bombe hoch, und ich werde weiter meinen langweiligen journalistischen Tätigkeiten nachgehen. Na ja, das letzte Mal war gar nicht so langweilig und ich habe mich immerhin als Eintagsfliegenterrorist betätigt.       
     
    Sonntag. Ich bin schon ein Tag in Saint Denise. Die Bombe ist wirklich explodiert. Ich bekam sofort Anrufe aus der Redaktion, um mir über den Anschlag zu berichten. Sie brachten mich damit nicht in Zusammenhang, fragten mich aber, ob ich Hintergründe zu dem Anschlag kennen würde. „Nein, kenne ich nicht“, habe ich geantwortet. Der Schaden soll beträchtlich sein, aber die zerstörten Teile und Apparaturen des Gebäudes würden wieder aufgebaut. War ich erfolgreich? Ich habe das Projekt Lebensverlängerung in den USA für ein paar Monate aufgehalten. Das ist alles. Mehr konnte ich nicht tun. Erinnert mich an japanische Samurai im Zweiten Weltkrieg, die mit ihren Kamikaze-Angriffen den Ausgang des Krieges verzögerten. Ach Quatsch, ich habe ja mein Leben nicht vernichtet. Hätte aber passieren können. In den Staaten wird jetzt eine Fahndung anlaufen. Wie werde ich mit dem Anschlag in Zusammenhang gebracht? Es ist absurd, mir zu unterstellen, ich habe im Auftrag der Regierung von Reunion gehandelt, im Auftrag der Tabok, weil es absurd ist, den Tabok und unserer Regierung solche Absichten zu unterstellen. Ich habe kein Motiv. Es ist nicht bekannt, dass ich ein Extremist bin. Oder doch? Mit engeren Freunden wie Paul habe ich diskutiert, mit Priestern, Theologen und Mönchen, aber in der Redaktion kennt niemand meine genauen Ansichten zur relativen Unsterblichkeit, geschweige denn, dass man mir unterstellen könnte, ein Terrorist zu sein. Selbst Paul oder meinem Bruder gegenüber habe ich nie über dieses Potenzial, dass in mir steckt eine Andeutung gemacht. Dieses Potenzial hat sich jetzt erschöpft. Es gibt in dieser Hinsicht nichts mehr zu tun. Es macht keinen Sinn, gegen Anlagen auf dieser Insel vorzugehen. Der Sinn meiner Tat in Vancouver ist fraglich. Es war letztendlich eine Entscheidung aus dem Bauch heraus. Ich hatte kaum Chancen mit journalistischen Mitteln gegen die Unsterblichkeit vorzugehen. Ich wäre vielleicht ein, zweimal rausgekommen, aber das wär es. Es gibt natürlich die freie, intellektuelle Diskussion über dieses Thema, insbesondere in Europa, wo Gegner der Behandlung auch publizieren können, aber auf meiner Insel wird meine Ansicht nur von einer kleinen Minderheit geteilt, meist religiös motivierte Leute. Einige trifft man in den Klöstern. Ich werde diese Denker aufsuchen müssen, um mit ihnen zu reden. Insbesondere jetzt kann ich nicht damit beginnen, mich mit meinen Ansichten zu outen und mich in die öffentliche Diskussion zu begeben. Dann wäre ich verdächtig, und dies könnte fatale Folgen für Elisabeth haben. Elisabeth, hoffentlich bleibt sie

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