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Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)

Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)

Titel: Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffen Duck
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üblicherweise in den 50er Jahren auf die Stirnseiten der zugeklappten Bücher aufgetragen hatte. Noch sehr viel früher war es sogar Goldfarbe gewesen.
    „Schiller - Gesamtausgabe, Aufbau-Verlag 1953“ las er im Impressum.
    In den knapp dreißig Jahren war er mithin der erste, der diese Bücher aufschlug.
    Wasser auf die Mühle der allseitigen Unkultur!
    Dann aber hüpfte sein Herz vor Freude, als er das Drama „Wilhelm Tell“ fand, jenes Schillerdrama, das seit geraumer Zeit in der DDR nicht mehr aufgeführt wurde, um die Menschen nicht auf unbotmäßige Gedanken zu bringen, gar noch einer deutschen Einheit!
    Schiller als subversive Literatur, vom Einband her aber unverdächtig, das hatte schon etwas für sich!
    Doch es sollte noch besser kommen: Wilfried traf auf Schillers Fragment gebliebenes Traktat zur Deutschen Nation:
    „… Darf der Deutsche sich seines Namens rühmen und freuen? Er darf ´s! Er geht unglücklich aus diesem Krieg hervor, aber was seinen Wert ausmacht, hat er nicht verloren … Deutsches Reich und Deutsche Nation sind zweierlei Dinge, des Deutschen Majestät ruhte nie auf dem Haupte seiner Fürsten …!“
    Ihm lief es kalt den Rücken herunter.
    Der, der ihm plötzlich gegenübersaß, war kein anderer als Friedrich Schiller.
    Wilfried sah ihn an seinem Schreibtisch sitzen, sah, wie er die Feder ins Tintenfaß tauchte und schrieb.
    Schiller hob den Kopf, sann einem Gedanken nach, da trafen sich ihre Blicke. Konnte dies alles wirklich wahr sein?
    Schiller wirkte keineswegs überrascht. Freundlich nickte er Wilfried zu, zwinkerte leicht verschmitzt, bevor er sich wieder seinem Manuskript zuwandte und die Feder über das weiße Papier fliegen ließ.
    Wilfried holte tief Luft. Vor ihm lag wieder Schillers fünfbändige Gesamtausgabe des Aufbau - Verlages.
    Er war ihm begegnet, ihm, dem Dichter, der wie kaum ein anderer den Deutschen in die Seele blickte!
     
    Morgen endlich würde die Busfahrt nach Dresden stattfinden, danach würde er noch eine letzte Woche runterreißen müssen.

    In weinseliger Stimmung ließ man Egon Blauw hochleben. Andreas Shetland hingegen, sich treu geblieben, polterte am Tisch, das sei doch nicht zum Aushalten: „Anderthalb Jahre kotzen sie auf ihn, dann lassen sie ihn hochleben!“
    Wilfried war dies, ganz gegen seine sonstige Art, völlig schnurz. Nicht nur, daß er sich seinen Teil gedacht hätte, nach außen hin aber still geblieben wäre, diesmal war das Geschehen um ihn herum so weit weg, wie nur irgend denkbar.
    Er träumte still vor sich hin, von kommenden Aufgaben im Studium, seiner heißgeliebten Christine, dem gemeinsamen Leben an ihrer Seite. Als sie ihn endlich in ihr Leben eingelassen hatte, war er es gewesen, der dem ihren die neue, bessere Orientierung gab.
    Sie aber hatte ihn die Armeezeit in Würde meistern lassen. Geduldig hatte sie sich seinen Ärger angehört, wieder und wieder, seine miese Laune ertragen, ihm Mut gemacht. Nie hatte sie einen Zweifel daran gelassen, daß bald, sehr bald schon die besseren Tage kommen würden. Ihr zuliebe hatte Wilfried so manches Mal seinen Ärger gegenüber den Vorgesetzten, insbesondere dem Spieß hinuntergeschluckt, sich nichts anmerken lassen, war in keine der zahlreichen Stolperfallen getappt. Vier Wochen Urlaubs - und Ausgangssperre, das bedeutete tatsächlich ein halbes Jahr keinen Kurzurlaub, der ansonsten alle 4 bis 6 Wochen möglich war, in dieser Zeit nur einmal verlängerten Kurzurlaub unter Anrechnung eines Urlaubstages von Freitag bis einschließlich Montag. Schon ein falsches Wort zur Unzeit konnte diese Bestrafung nach sich ziehen. Wilfried wäre vor Sehnsucht gestorben.
    Oder noch schlimmer: Der Armeeknast in Schwedt! Allein der Name dieser Stadt mit dem Petrochemischen Kombinat am Ende der aus der Sowjetunion kommenden Erdölleitung „Freundschaft“ versetzte alle Soldaten in Angst und Schrecken. Auf dem Maßband war die Zahl 133 üblicherweise mit einem Gitter versehen, denn die Postleitzahl 1330 - das war Schwedt.
    Seit Mitte 1982 waren die Militärgesetze verschärft worden; nicht nur, daß dienstuntauglichen Männern aufgegeben werden konnte, „sich in einen diensttauglichen Zustand zu bringen“, (vermutlich durch Gewichtsreduktion), nun konnte schon der Kompaniechef einen Soldaten ohne jegliches Gerichtsurteil für drei Monate in das Militärstrafbataillon Schwedt kommandieren - die dort zugebrachte Zeit mußte dann nachgedient werden. Soldaten in Paradeuniform und Stahlhelm nebst

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