Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)
für das Schießtraining zu melden.
„Wo ist denn der Kompaniechef, Hauptmann von Zerwald?“ fragte der junge Leutnant am KdP und blickte dabei in seine Kladde.
Egon Blauw wurde noch röter im Gesicht.
„Das ist meine Einheit,“ flüsterte er.
Der Leutnant, anscheinend Offizier auf Zeit, betrachtete ihn verdutzt, maß ihn von oben bis unten. Dann salutierte er und befahl dem Soldaten im KdP, die Schranke zu öffnen.
Die Fahrzeugkolonne der TIBK fuhr auf den Truppenübungsplatz.
„Sie sollen Dauerfeuer einstellen!“ herrschte der Spieß Wilfried an. „Die bisher getroffenen Figuren zählen bei Einzelfeuer nicht als Punkt.“
Wilfried hatte mit einem Schuß bereits zwei Pappkameraden umgelegt, die sich soeben wieder aufrichteten. Er lag im Schnee und gab einen weiteren Schuß ab.
„Sie wissen nicht, wie man Dauerfeuer einstellt? Den Sicherungshebel auf die erste, nicht die zweite Position einstellen!“
Mit der entsicherten Waffe zu hantieren, erschien Wilfried viel zu gefährlich.
Um dem Befehl Folge zu leisten, betätigte er jetzt den Abzugshebel in schneller Folge, um dem Einzelfeuer den Anschein von Dauerfeuer zu geben.
Der Spieß stieß einen undefinierbaren Laut aus, in welchem man am ehesten eine Kombination aus Knurren und Weinen vermuten konnte.
Da war das Magazin auch schon leer. Wilfried erhob sich erleichtert aus dem Schnee, blieb aber, wie man sie zuvor instruiert hatte, an der Ausgangslinie stehen. Erst als alle fertig waren, konnte die Ausgangslinie im Gänsemarsch verlassen werden.
Hätte es sich nicht um einen Truppenübungsplatz gehandelt, wäre die tief verschneite Landschaft Wilfried wie ein Wintermärchen vorgekommen. Der Schnee glitzerte in der Januarsonne, die zum Ende des Monats bereits wieder etwas wärmte. Nur wenige weiße Wolken waren am stahlblauen Himmel zu sehen.
Wilfried versuchte, sich dem Tagtraum gänzlich hinzugeben. Es gelang ihm nicht, denn jeder einzelne Schuß unterbrach seinen freien Flug der Gedanken.
Nach dem Abendessen im Objekt machte sich die Fahrzeugkolonne erneut auf den Weg zum Schießplatz, diesmal zum Nachtschießen.
„Da vorne sehen Sie die Lichter aufblitzen. Sie stellen das Mündungsfeuer der feindlichen MG - Nester dar. Dort halten Sie im Dauerfeuer in kurzen Feuerstößen drauf! Sie schießen aber nur dann, wenn Sie das „Mündungsfeuer“ erkennen, sonst nicht! Verstanden?
Also los!“
Wilfried hatte sein Magazin entleert, ohne zu wissen, ob sein Dauerfeuer irgendeine Wirkung gezeitigt hatte, denn das „feindliche Mündungsfeuer“ erlosch ja auch von allein wieder.
Er wollte sich gerade aufrichten, da hörte er auf einmal hinter sich das Rattern des Dauerfeuers aus den „Mumpelspritzen“. Irgend etwas stimmte nicht. Instinktiv blieb er im Schnee liegen.
„Haaalt! Stoppen! Sofort aufhören! Seid ihr denn waaahnsinnig?“
Noch nie hatte er Egon Blauw derartig brüllen gehört. Es mußte etwas passiert sein.
Dann kam auch schon Ihberg zu Wilfried. Im fahlen Widerschein der Schneelandschaft erkannte er, wie die Unteroffiziere zu jedem einzelnen von ihnen ausschwärmten.
„Bist du okay?“ fragte Ihberg hastig.
„Ja,“ antwortete Wilfried ein wenig verwundert.
Obwohl er Ihberg nur an der Stimme erkannt hatte, bemerkte er, wie ihm ein Stein vom Herzen fiel. Ihberg atmete schwer.
„Die haben hinter euch von der Tagesausgangslinie aus geschossen.“
Erst allmählich begriff Wilfried, in welcher Lebensgefahr er geschwebt hatte.
Egon Blauws Beförderung zum Leutnant aber wurde aufgrund des „Vorkommnisses“ auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben.
Schumann hatte sich vom Nachtschießen ferngehalten.
„Der ,E´ bleibt für Spezialaufgaben in der Unterkunft,“ hatte er Wilfried wissen lassen, dabei hämisch gegrinst.
Als er erfuhr, welcher Gefahr Wilfried und einige seiner Genossen ausgesetzt waren, machte er zunächst ein verdutztes Gesicht. Dann zog er sein schon ziemlich kurz gewordenes Metermaß aus der dafür zweckentfremdeten roten Kanistermarkierung hervor, für Vergaserkraftstoff mit „VK“ geprägt, nach EK - Vokabular aber „Vizekralle“ geheißen und hielt es Wilfried unter die Nase: „Das sind die Tage, die den ,E´ noch drücken. Ihr seid noch bei Egon unter der Dusche.“ Dabei wies er mit dem Kopf zu Stubendecke.
Daraufhin sinnierte er:
-
„Der ,E´, schlau und listig,
rückwärtig sichert ´s Haus;
der Sprutz, dumm und mistig,
zieht ins Gefecht hinaus.
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Ob Schieß - oder
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