Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)
Formular ablieferte und eine freundliche Bemerkung versuchte, blickte sie ihn nur verständnislos an. Sie war dergleichen entweder nicht gewöhnt oder aber ungewöhnlich dumm. Wilfried vermutete das letztere.
Kunden verloren hatte nach Berichten von Hartwig, einem pragmatisch denkenden Tatra - Fahrer, seine Frau.
Bedingt durch Hartwigs Abwesenheit von zu Hause war die Ehefrau mit der Betreuung der beiden kleinen Kinder ausgelastet und besaß nicht mehr die nötigen Freiräume, anspruchsvolle Freier zufriedenzustellen. Außerdem erschien es ihr auch nach Hartwigs Aussage zu riskant, sich in der Szene allein nach Kundschaft umzusehen ohne den Schutz ihres Ehemannes und Zuhälters.
Nach niveauvollem Abendessen zu zweit hätte Frau Hartwig noch jeden liebeshungrigen Mann vollends zufriedengestellt, wie Hartwig stolz berichtete. Selbstverständlich hätte ihre Dienstleistung auch einen angemessenen Preis, über dessen Höhe er sich ausschwieg.
Wilfrieds erstaunte Frage nach dem gesundheitlichen Risiko beantwortete Hartwig mit: „Denkste, die ficken nacksch?“
Nun aber, da eine wesentliche Einnahmequelle der Familie weggebrochen sei, müsse er sich ernsthaft Sorgen machen, wie die Frau den gemeinsamen finanziellen Verpflichtungen nachkommen könne.
Auf Wilfrieds Frage, welche das denn wären, antwortete er, das Leben sei eben teuer heutzutage: „Zum Beispiel warten auf mich nach der Entlassung 500 AWG - Stunden. Die ha´m se mir wegen der Armee nur gestundet. Wenn ich die nich´ anschließend sofort bringe, wird uns ,anderer Wohnraum´ zugewiesen, wenn du weißt, was ich meine. Da brauchste dann ähmd Kohle.“
(Anmerkung: AWG - Arbeiterwohnungsgenossenschaft, man erwarb Anrechte auf eine Wohnung durch Einlage von Geld und Arbeitsleistungen.)
Da Wilfried skeptisch blieb, legte Hartwig nach:
„Alter, meine Frau is´ absolut nymphoman, das is´ Fakt! Die braucht ´s jeden Tag mehrfach. Da gehste nach kurzer Zeit am Stock. Da isses doch besser, wennse damit Kohle macht als bloß fremdfickt.“
„Also, ich käm´ mit so was nich´ klar,“ stotterte Wilfried verlegen.
„Dafür hat se Erfahrung, die du bei ´ner Spießerfrau nie findest. Die kennt jeden Kniff. Wenn du ihr umme Hüfte faßt, da zuckt se zusamm´ und spreizt die Beene, das is´ wie ´n Reflex …“
„Aber trotzdem …“
„Un´ für mich legt se dann das Sonderprogramm auf: ganz langsamer Striptease, weiße Strümpfe mit weißen Strapsen, Alter, da weeßte nich´ mehr, wo oben und unten is´.“
Wilfried schnappte mehrmals nach Luft, stolperte dann zum Fenster und riß es auf. Ihm war schwindlig geworden, offenbar seine somatische Reaktion fürs Fremdschämen. Hartwig merkte, daß er zu weit gegangen war, versuchte zurückzurudern, behauptete nun, er habe Wilfried nur foppen wollen: „Du gloobst ooch alles!“
Dann, nach einer Pause: „Aba eens kannste wissen - alleene mit Romantik und so ´nem Schwachsinn kommste heute bei den Weibern nich´ mehr an. Die woll´n ´n gutes Leben, die woll´n deine Kohle. Wenn du das nich´ bieten kannst, biste bei den´ abjemeldet, so schnell kannste gar nich´ guck´n.“
Wilfried hätte über eine eigene Freundin oder Ehefrau niemals, auch nicht im Spaß und fern der Heimat, derartige Dinge erzählt.
Dazu würde er die geliebte Frau, jenes wundervolle Wesen, welches sie sein würde, viel zu sehr geschätzt und verehrt haben.
Er beschloß, das Gehörte zu ignorieren und weitere Gespräche mit Hartwig möglichst zu vermeiden.
Als Wilfried Hartwig einige Wochen später in hochgradig erregtem Zustand aus der Stube rennen sah, nackt, ihn auffordernd, er solle sich auch „nacksch“ machen, zog er sich eilends in seine B/A - Kammer zurück. Als er nach geraumer Zeit zurückkam, hoffend, Hartwig hätte sich inzwischen beruhigt, fand er diesen tatsächlich entspannt in seinem Bett liegend, allerdings nicht allein. Helfrich, der dunkle Typ mit den schwarzen Locken und der sagenhaft weichen Haut, kürzlich von seiner Freundin verlassen, lag in seinen Armen.
Wilfried bereitete sich in der B/A - Kammer sein Nachtlager.
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11. Noch mehr Verluste
Gefechtsbereitschaft:
Während der halbjährlichen Ausbildungswoche der TIBK war es von Wichtigkeit, Defensivmaßnahmen zu trainieren. Das Entaktivieren der Fahrzeuge nach Kontamination mit radioaktivem Fallout mußte regelmäßig geübt werden. Zu diesem Zweck besaß jedes Fahrzeug stets ein eigens für diese Zwecke vorgesehenes Tray aus zwei zusammensteckbaren
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