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Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)

Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)

Titel: Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffen Duck
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nicht sehr erfreut hätte.

    Wilfried aber war durch diese Begebenheit ziemlich verwirrt worden, so daß er zielsicher in den nächsten Fettnapf trat: Als verwaltungstechnische Neuerung wurden für die monatlichen Mehrleistungsprämien, die zwischen 50,- und 100,- M betrugen und nicht unerheblich den Wehrsold von 150,- M für Soldaten und 180,- M für Gefreite aufbesserten, Prämienkarten eingeführt, mitzugeben bei Kommandierung auf die Baustellen. Genaue Anweisungen aber hatte Wilfried trotz Nachfrage vom Spieß nicht erhalten, da dieser selbst nicht wußte, wie damit zu verfahren sei. Einerseits wurden der Wehrsold und die Prämie monatlich bar vom Spieß ausgezahlt, was ihn mit etwa 20.000,- M im Dienstzimmer immer ziemlich nervös werden ließ; (für die nichtanwesenden Genossen wurden die Barbeträge anschließend per Postanweisung verschickt), andererseits sollte wohl die genaue Höhe der Prämie je nach Arbeitsleistung auf den Baustellen von den dortigen Vorgesetzten bestimmt und auf der Karte eingetragen werden.
    Das Versenden der Karten auf dem Postwege hin und her schien dem Spieß aber nicht praktikabel zu sein, so daß er die Karten bei sich zu behalten gedachte. Die Prämienhöhe würde vom Kompaniechef innerhalb des vorgegebenen Spielraumes nach Gutdünken festgelegt werden.
    Derartige Überlegungen eigneten sich nach Auffassung des Spießes aber nicht dazu, sie mit seinen Untergebenen zu teilen; das Fehlen klarer Anweisungen hätte seine Autorität untergraben können, fürchtete er.
    Wilfried, im Bestreben, nun korrekt zu handeln, hatte noch nicht vollständig verinnerlicht, daß es bei Fehlen klarer Anweisungen in der Armee am besten war, sich ruhig zu verhalten und gar nichts zu tun. Er gab die Prämienkarten den auf die Baustellen Kommandierten mit.
    Als der Spieß dies erfuhr, bekam er einen Schrei - Weinkrampf, schnappte nach Luft und Wilfried befürchtete schon, er bekäme einen Herzinfarkt.
    „Wer soll die Karten denn unterschreiben?“ jammerte er. Dann voller Zorn zu Wilfried: „Verschwinden Sie, ich will Sie hier nicht mehr sehen!“
    Wilfried stand geraume Zeit auf dem Flur, unschlüssig, was er tun sollte.
    Als Sellering hinzukam, der in der A II-Kompanie KC gewesen war, in der TIBK aber Politoffizier, versuchte er, den Spieß zu trösten: „Nicht so schlimm, unterschreibt auf der Baustelle Thiendorf eben der ,Elch´.“
    Wilfried aber bekam eine Vorstellung davon, zu welch tiefen Empfindungen eine zwangsneurotische Beamtenseele fähig sein konnte, wenn es im Verwaltungsapparat knirschte. Er hatte derartige Szenen in Komödie und Kabarett immer für maßlos übertrieben gehalten.

    Der Januar 1982 neigte sich dem Ende zu. Schumann ließ nun mehrfach verlauten, es würde bald der Edelsprutzschlag durchgeführt - ein Initiationsritual der EK-Bewegung.
    „Ich schlage dich räudigen, mistigen Sprutz hiermit zum Edelsprutz von Torgau! Wumm!“
    Auf dem Hinterteil des zu Weihenden würde ein Klumpen schwarzer Schuhcreme mit dem Kehrblech breitgeschlagen von einem Soldaten des 2. Diensthalbjahres, während die EK sich daran ergötzten.
    Wilfried hielt dieses merkwürdige Spiel für unzweckmäßig und gedachte daher nicht, daran teilzunehmen.
    Leider hatte er zu spät gemerkt, daß Freiwilligkeit hierbei keine Option darstellte.
    Auch für die Flucht in die B/A - Kammer war es bereits zu spät.
    Vier Mann packten ihn. Wilfried wehrte sich nach Leibeskräften, hatte aber keine Chance.
    Immerhin konnte er mit Wellenbewegungen der Beine die ihn festhaltenden „Genossen“ mehrfach gegen die Flurwand schleudern.
    In seinem verzweifelten Kampf wurde ihm schlagartig klar, wie sich eine Frau fühlen mußte, der Gewalt angetan wurde. Welchen Rest an persönlicher Würde konnte man durch die Gegenwehr hinüberretten?
    Er hatte sich bereits mit dem Unvermeidlichen abgefunden, da trat Schumann überraschend auf den Plan: „Laßt ihn, sonst verpfeift er uns noch!“
    Wilfried rannte, über seine eigenen Füße stolpernd, Richtung B/A - Kammer.
    Im Regal stand eine seit Wochen offene Limoflasche. Wilfried nahm einen kräftigen Schluck, erwartete, daß sie fürchterlich abgestanden schmeckte - doch nein, sogar noch genügend Kohlensäure enthielt sie. Ein fruchtiges Orangenaroma ließ ihn sich rasch beruhigen und seine Lebensgeister zurückkehren.
    Wilfried trank die beste Limonade seines Lebens.

    „Jetzt bleibst du ein dummer, mistiger Sprutz!“ sagte Schumann beim Schlafengehen zu ihm.
    „Aus dir

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