Variationen zu Emily
Stellen, wo Steinschläge die glatten Wände aufgerauht hatten. Aber er fühlte sich zu schwach, um sich von Vorsprung zu Vorsprung zu tasten. Er wollte sich schon wieder hinlegen, um Kraft zu sammeln, als ein Fuß ins Rutschen geriet. Er warf sich zurück, und sein Kopf kollidierte mit einer bösartigen Felskante, die schon seit Jahrtausenden geduldig auf ihn gewartet hatte.
Als sich die Benommenheit legte, kroch er auf dem Bauch an den Rand des Kessels heran und entdeckte eine Art Rutschbahn, die wohl in einem Zeitalter vor Moses Geburt von dem antiken Gebirgsbach genutzt worden war, um sich ins Tal zu ergießen. Die Rinne ging steil bergab, war teilweise mit zackigem Geröll gefüllt und übermäßig von wildgewordener Flora besetzt. Aber es war eine Art Weg! Er setzte sich auf den Rand und ließ sich vorsichtig herab. Unter ihm gab der Boden nach. Er schoss mit einer Ladung Felsschrot und Bruchstücken von ausgerissenen Pflanzen in die Tiefe. Arme und Beine weit ausgebreitet, versuchte er, wie ein Fallschirmspringer seinem Fall Richtung und Verzögerung zu diktieren. Das Ergebnis war, dass er als Mittelpunkt einer Lawine, umschwirrt von steinernen Querschlägern, mit hoher Geschwindigkeit seinem Shangri-La entgegenraste. Der Aufprall war hart. Um ihn herum knallten die Geschosse der von ihm ausgelösten Salve. Alle seine Gliedmaßen schmerzten, seine Wunde am Kopf blutete wieder. Aber er war angekommen. Jetzt wollte er ausruhen.
23. VERLOREN
Weg ... einfach gegangen ... saß da im Morgenzwielicht auf dem Stuhl ... blickte mich so rätselhaft an ... aber das war ja nichts Neues ... er war immer seltsam ... komischer Vogel, wirklich ... ich kann nic ht sagen, dass ich darüber weinen muss ... es ist eine Art Erleichterung ... ich mache mir keine Sorgen um ihn ... wenn er gehen muss, soll er es tun ... er wird schon irgendwo überleben ... außerdem bedeutet er mir nicht besonders viel ... hat er nie ... er war auf eine verquere Weise interessant ... ein Spinner ... aber nicht böse ... nur völlig verkorkst ... lebte auf einem Jesustrip ... wollte alles besser machen ... und wusste alles besser ... manchmal stimmte das sogar ... aber daraus muss man sich keinen Heiligenschein stricken ... er wird wohl nicht mehr zurückkommen ... zehn Tage ist das jetzt her ... keiner hat ihn gehen sehn ... wohin geht so einer ... der kann doch nicht mit Menschen ... muss eigentlich allein leben ... mitgenommen hat er auch nichts ... verhungert vielleicht ... nein, beim besten Willen ... dazu ist er zu klug ... und zu geschickt ... arbeitet wahrscheinlich für einen Bauern auf dem Feld ... oder passt auf Schafe auf ... oder zapft Kühen Milch ab ... noch ein Schritt weiter auf dem Weg zum natürlichen Leben ... warum auch nicht ... und dass er mich hier mit den Kindern allein lässt ... nicht nett ... aber er fand das Leben ohnehin nie nett ... er sprach immer von Notwendigkeiten ... und dem Überflüssigen ... wir waren jetzt plötzlich überflüssig geworden ... wirklich plötzlich? ... habe ich gar nichts gemerkt? ... nein, habe ich nicht ... und wollte es auch gar nicht ... wir hatten eine Geschäftsbeziehung ... mit Handschlag ... du gibst, was du hast ... und nimmst nur das, was du wirklich brauchst ... und das ist nicht viel ... da bleibt genug für andere ... ha, andere ... wie meine Schwester ... für die blieb allerdings immer nur das eine ... und trotzdem kam sie immer wieder ... so abhängig von ihm, der Abhängigkeiten nicht ausstehen konnte ... er nutzte sie einfach aus ... doch, da war eine Veränderung ... nachdem Sabrina dieses andere Mädchen mitgebracht hatte ... eine liebe, nette Person ... und so hübsch ... wie die sich mit Sabrina anfreunden konnte ... mit einem solchen Emotionswrack ... Martha, so hieß sie ... sie könnte ein erfülltes, schönes Leben führen ... da bin ich sicher ... sie ist nicht blockiert oder beschränkt ... hoffentlich hat ihr Besuch keine negativen Folgen ... Sabrina wäre entzückt, sie verderben zu können ... ja, meine Schwester ist böse ... böse geworden aus Neid und Schmerz ... auch ich würde sie meiden, wenn ich könnte ... aber sie hat ja nur mich und Frank ... die Eltern mögen sie nicht ... werfen ihr Selbstsucht vor ... und Versagen ... keine Familie ... keine Freunde ... kein normales Leben ... verbittert, scharf und ungeduldig ... wirklich keine angenehme Gesellschaft ... aber was mache ich jetzt ... noch bin ich hier geduldet ... Gemeinschaft
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