Variationen zu Emily
Kopulation von Tieren. Andererseits achteten sie höflich darauf, dass auch der Partner seinen Anteil am Spiel der Triebe hatte, denn ihr Leben war abhängig von Arbeitsteilung und Respekt für die Rolle des jeweils anderen.
Daher übersah auch Wilma nachsichtig seine nächtlichen erotischen Ausflüge, wenn Sabrina zu Besuch kam. Solange er die vereinbarten Spielregeln einhielt und die Kinder nicht weckte oder verunsicherte, war es ihr gleichgültig, mit wem er wie schlief, sogar, wenn es sich um ihre eigene Schwester handelte. Er hatte diesen Vorteil von Vernunftehen schätzen gelernt: Eifersucht existierte praktisch nicht. Nur einmal, kürzlich, als Sabrina mit dieser anderen Frau auftauchte, gab es eine kleine Krise in ihrem kühlen, ruhigen Miteinander.
Es war einer strengen Verwarnung gleichgekommen, als sie ihm sachlich auseinandersetzte, dass sie nicht gewillt war, ihre Nachtruhe und die der Kinder von einem derart entsetzlichen Stöhnen und Keuchen stören zu lassen. Es wurmte ihn immer noch, wie sie ihn mit ruhiger Stimme und völlig gelassen auf seine Verfehlung hinwies und implizit eine schreckliche Alternative zu dem friedlichen Leben heraufbeschwor, das sie miteinander führten. Ja, sie war sehr stark geworden. Und sie roch noch immer nach der Milch seiner Kindheit, nach süßen Mandeln und etwas Starkem, Aromatischem – vielleicht türkischem Mokka.
Aber die Zurechtweisung war es nicht, was ihm seit einigen Wochen dieses Leben verleidete. Es war eine Art Schatten, der sich auszubreiten schien und seine immerhin selbstgewählte Rolle als Vater, Erzieher und Ernährer umdüsterte. Es war ihm nicht klar, ob dieses neblige Dunkel von ihr ausging oder allein aus ihm entstand. Es wuchs und machte ihn unsicher und unzufrieden. Er sagte sich: Hier bin ich zu Hause, hier sind meine Kinder, hier ist meine Verantwortung – dieses ist meine Existenz. Es nutzte nichts. Immer wieder starrte er seine Frau an und fühlte sich am falschen Ort. Immer wieder versank er in eine dumpfe, gedankenlose Grübelei, aus der er nur mit viel Mühe wieder auftauchen konnte.
Vielleicht wurde er einfach nur krank. Aber dann war es eine Krankheit, die einen langen Anlauf nahm und sicher so schnell nicht zum Stehen kommen würde. In seinen Gedanken hatte er das Bild einer Münze gefunden, die – einstmals glänzend und schön – in rasender Geschwindigkeit oxydierte, matt wurde und sich hässlich verfärbte. Er wollte keine Kinder mehr. Sie waren Oxydation. Er wollte Wilma und Sabrina nicht mehr. Auch das nahm ihm den Glanz. Er wollte wieder neu sein, blinken im Sonnenlicht ohne eine Verunreinigung. Er wollte ohne Menschen sein. Sie waren, meistens ohne bösen Willen, unsauber und unehrlich, und er ekelte sich vor ihren Körpern und vor sich selbst.
Wilma seufzte im Schlaf. Ihr Arm kam wie ein stämmiges Reptil unter ihrer Decke hervor und kroch suchend auf seine Bettseite zu. Als die Tentakel ihrer Finger keine Wärme fanden, schlug sie die Augen auf, sah ihn auf dem Stuhl am Fenster sitzen und nickte ihm kurz zu. Dann drehte sie sich um und schlief wieder ein. So war es immer. Sie nickten sich zu und drehten sich um.
Hier in den Bergen wurde es im Frühling sehr früh hell. Noch war die Sonne nicht aufgegangen, aber draußen begannen die Vögel sich zu regen und misstönend ihre Stimmen zu erproben. Frank zog sich vorsichtig an, verließ das Schlafzimmer und ging leise die Treppe herunter. Von den Kindern war kein Laut zu hören. Sie erholten sich von einem der seltenen langen Abende, die er ihnen manchmal zugestand, wenn der kommende Tag keine Anforderungen an sie stellte. Stundenlang hatten sie Straßen gekauft, Mieten eingenommen, Häuser oder Hotels gebaut und sich über die Launen des Schicksals, das in Kartenform verdeckt auf dem Spielplan lauerte, geärgert oder gefreut. Erst nachdem der Sieger feststand und der Verlierer, getröstet von der strickend dabeisitzenden Wilma, wieder müde lächeln konnte, waren sie schlafen gegangen.
Er goss sich in der Küche ein Glas Milch ein und ging auf die vordere Veranda, wo er sich fröstelnd auf die kleine Holzbank setzte. Eine Amsel, die auf dem Rasen geduldig auf das Erscheinen von Futter wartete, wandte den Kopf auf die Seite und sah ihn argwöhnisch an, wobei sie leise, pinkende Geräusche ausstieß. Aber als er nur zurückblickte und keine Anstalten machte, den vor ihr kriechenden Wurm zu stehlen, stieß sie beruhigt den Schnabel zwischen die Halme und schlang das
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