Variationen zu Emily
ihm gelernt ... nachdem ich ihn verlassen hatte ... ja, am Anfang ging alles gut ... wir waren so unterschiedlich, dass es immer wieder Neues zu bestaunen gab ... unsere kleine Wohnung zeugte sowohl von meinem Chaos als auch von seiner Gründlichkeit ... ich schleppte eine Vielzahl von kleinen Gegenständen an ... Bilder, Kissen, Figuren, Küchengeräte, Pflanzen ... ich hoffte, dass damit Wohnlichkeit zu erzeugen wäre ... er hingegen packte nach einer Weile alle nutzlosen Dinge in Kisten ... wenn er glaubte, dass ich sie vergessen h atte ... und ich ein paar Tage außer Haus verbrachte ... und stapelte sie in den Keller ... er hätte sie gern in die Mülltonne geworfen ... aber dazu war sein Respekt zu groß ... wenn ich ihn aufgefordert hätte, den albernen Löffelhalter wieder herbeizuschaffen ... er wäre sofort in den Keller gelaufen ... aber dann kamen die Kinder ... ich war zu fixiert auf sie ... immer müde, weil ich ständig nach ihnen sehen wollte ... ob ihnen nichts fehlte ... hatte zu viel gelesen über bleibende Schäden ... Vernachlässigung, die zu Drogensucht, Magenkrebs und frühzeitigem Haarausfall führt ... ich war ein Kind, das Mutter spielte ... und dieses Spiel sehr ernst nahm ... ich gönnte mir keine Pause in den ersten Monaten ... und ihm auch nicht ... er wollte eine Frau, und er wollte die Kinder ... aber was er hatte, war eine Kinderschwester und eine Kinderklinik ... kein Wunder, dass er immer häufiger ausging ... immer mehr trank ... er fühlte sich nicht mehr wohl ... und betäubte seine Gewissensbisse ... ich verstand ihn nicht ... er hörte mir nicht mehr zu ... meine Geschichten müssen auch extrem langweilig gewesen sein ... immer nur Kinder ... immer nur andere, niemals wir ... man hat uns das nicht beigebracht ... dass Kinder nicht der einzige Lebensmittelpunkt sein müssen ... dass sie nur ein Teil unserer Existenz sind ... zu der noch eine ganze Menge anderer Menschen und Dinge gehören ... die wir vernachlässigen ... letztlich zum Schaden der Kinder ... kein Wunder, dass es so viele alleinerziehende Mütter gibt ... sie sind schwach, dumm und ohne vernünftige Anleitung ... schaffen es nicht, eine Beziehung aufrechtzuerhalten ... wie ich ... und dann werden wir bedauert ... während es den Männern manchmal viel schlechter geht ... wehe, einer verlässt Frau und Kind ... dann ist er ein Paria, dem alles genommen wird ... dabei besteht er nur auf einem Leben mit der Frau, die er liebt ... nicht neben ihr und den Kindern ... er war viel weg, trank zu viel ... und ich war immer beschäftigt ... sah nicht seinen Kummer ... begann ihn zu hassen wegen seiner Alkoholfahne ... seines Kneipengeruchs, seines Zusammenseins mit anderen Menschen ... war auch neidisch, dass er sich austauschen konnte ... ich hatte nur meine Mutter ... und dann kochte es über ... wir begannen zu schreien ... ich glaube, auch er hatte noch nie so herumgebrüllt ... wir machten Schluss ... er zog für ein paar Tage in ein Hotel ... dann rief er an, war ganz kleinlaut ... kam wieder und gab sich Mühe ... wenn er nicht getrunken hätte, hätte er geweint ... so sehr war er in der Klemme ... zwischen der Vorstellung, wie es sein sollte ... und seinem Pflichtgefühl ... er sagte: ich will ja glauben, dass das alles ganz normal ist ... und dass es wieder besser wird mit uns ... aber mein Gefühl sagt mir, dass unser Leben völlig falsch läuft ... versteh doch, ich will dich ... und ich verstand ihn nicht ... verstand nicht, was er sagen wollte ... na ja, ich habe wohl ein paar Fehler mehr gemacht als er ... er blieb loyal, bis er es nicht mehr aushielt ... die letzten Wochen waren wie ein Alptraum ... da hat man meistens auch keine Wahl ... man schreit, man fällt ... man schlägt um sich, man wacht auf ... und ist allein ... Zahnpastatube nicht zugedreht ... Toilettendeckel offengelassen ... schmutzige Wäsche liegt tagelang im Schlafzimmer herum ... das Essen hat mal wieder nicht geschmeckt ... man beginnt, sich über alles zu ereifern ... wie das Bett gemacht ist ... wie er sich wäscht ... was für ein Mist ... aber natürlich stand hinter all diesem Kleinkram etwas Größeres ... eine Leere, oder eine übermäßige Fülle ... eine Macht, die uns bezwang ... ein gefräßiges Wesen ... falsch verstandene Mutterliebe, Egoismus, Bequemlichkeit, Eitelkeit, Empfindlichkeit ... all das zusammen ... es ist wahr ... ich brauchte ihn damals nur für die materielle Sicherheit ... und als Empfänger der Nachrichten
Weitere Kostenlose Bücher