Variationen zu Emily
Haut spüren. Mich in ihren Duft einwickeln, wenn du verstehst, was ich meine. Ich konnte diesen Gedanken in dieser Nacht nicht ausdrücken, traute mich nicht, ihr meine friedlichen Phantasien zu gestehen. Warum? Ich weiß es nicht.
Vielleicht, weil ich witterte, dass ich sie damit enttäuschen würde. Sie würde zwar einwilligen, sich aber dennoch etwas anderes ausmalen und dann insgeheim über mich fluchen, weil ihr Körper nicht so auf mich wirkte, wie sie es erwartete. Irgend so etwas. Also sagte ich, was der Wahrheit am nächsten kam. Müdigkeit und Alkohol. Sie reagierte lieb, und wir trennten uns vor ihrem Zimmer mit einem Kuss. Ich konnte dann doch nicht schlafen. Oder kaum. Der Gedanke an sie regte mich zu sehr auf, der höchst mittelmäßige Wein rammte Pfähle in mein Hirn. Am nächsten Morgen war ich ein Wrack. Kopfschmerzen, leichte Übelkeit, Müdigkeit bis in die Fingernägel, zerschlagen wie nach zwei Schichten im Quecksilberbergwerk. Ich ließ das Frühstück ausfallen, legte mich im Garten des Hotels in den Schatten eines großen Kastanienbaums und versuchte, wieder zu mir zu kommen.
Das Seminar war zu Ende. Die Teilnehmer saßen zusammen und äußerten ihre abschließende Bewertung. Das ging auch ohne mich. Außerdem konnte ich ohnehin noch nicht vernünftig artikulieren. In meinem Kopf war eine Baustelle. Es dröhnte, brummte und kreischte. Also ließ ich das Mittagessen auch ausfallen. Sie kam schließlich zu mir heraus, legte ihre Hand auf meine und zwitscherte munter drauflos. Sie wollte nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung mit mir noch irgendwo etwas trinken und meine Gesellschaft genießen. Schöne Gesellschaft, wo doch in meinem Schädel stämmige Handwerker mit Trennscheiben und Schlagbohrern große Betonbruchstücke zerschnitten und anschließend zu Staub zermahlten. Aber ich wollte nicht nein sagen – sie gefiel mir einfach zu gut. Und jetzt schon wieder zu versagen wäre wohl Grund genug für einen endgültigen Abschied gewesen.
Sie war nach landläufigen Maßstäben nicht wirklich schön. Und sie war sehr fordernd, klar und kühl. Sie sprach viel. Aber wenn sie mit mir zufrieden war, wärmten und erleuchteten mich die Strahlen eines hellen, funkelnden Gestirns. Mein Zustand war zwar verheerend, aber ich fand immer irgendwo Reserven, die mobilisiert werden konnten, und ich besaß eine eiserne, in Jahren antrainierte Disziplin. Also gingen wir nach einer lahmen Verabschiedung von den anderen Teilnehmern schließlich zum Parkplatz, stiegen in unsere Autos und machten uns auf den Weg hinauf in die Weinberge, wo wir einen Ausschank aufsuchten.
Nach dem ersten Schoppen wurde mir etwas wohler. Der Bautrupp rastete, ließ nur die Maschinen im Leerlauf brummen, und ich begann, ihre Nähe wieder zu genießen. Zugleich sehnte ich mich immer noch nach einem Bett. Aber das gab es jetzt vorläufig nicht mehr für uns, da sie noch am selben Tag bis hinunter nach Bayern, nach Hause fahren mu sste. Also stellte sich die Frage: Wann? Ich war einigermaßen frei, wenn man von meinen beruflichen Verpflichtungen absah. Aber sie war natürlich eingebunden in einen Haushalt, in ein Netz von Konventionen, und daher wesentlich schwerer abkömmlich. Wir kamen überein, miteinander zu telefonieren und eine für sie günstige Gelegenheit abzuwarten. Dann wollten wir uns irgendwo in der Mitte zwischen unseren Wohnorten treffen.
Mit dieser Verabredung trennten wir uns schließlich, s achlich und mit einem kühlen Kuss. Die Fahrt war zum Glück nicht lang, denn meine Konzentration war auf alles andere als auf die anderen Verkehrsteilnehmer gerichtet. Ich hatte nur sie vor Augen. Und ich war mir meines Versagens nur zu bewusst. Ich hätte doch nur weniger trinken müssen. Oder mit ihr ins Bett gehen können, egal, was sich daraus ergeben hätte. Es wäre doch so einfach gewesen – wann erhält man schon mal so eine Einladung? Wir hätten die körperliche Nähe ausprobiert. Wenigstens das, auch wenn es ein Fiasko geworden wäre. Und nun diese Situation, die mich von ihr abhängig machte. Wann würde sie Zeit haben? Wann Lust und Muße, um sich auf den langen Weg zu machen? Und wo würden wir uns dann treffen? In einem Hotel, einem Wald, einer Scheune? Mit derartigen Gedanken bewältigte ich die Heimfahrt, verbrachte ich den Abend und einen Teil der Nacht, bis ich völlig erschöpft einschlief. Ich hatte mich offensichtlich verausgabt in der Anwesenheit dieser Frau.
Die ersehnte Gelegenheit ergab sich ein
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