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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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Das ist zu weit für die uns folgenden Truppen.«
    »Von der Neunzehnten wurde berichtet, dass sie zersprengt sei«, sagte Ceionius. »Ein Teil ist auf dem Weg geblieben, die Übrigen sind in die Wälder ausgewichen.«
    »Geflohen trifft es besser«, knurrte Eggius.
    »Die Wilden töten Hauptleute und Standartenträger«, wandte Vala ein, »und ohne Führung geraten die Truppen in Unordnung, niemand weiß mehr, was er tun soll.«
    »Standhalten sollen sie!« Der Lagerpraefect legte die Stirn in steile Falten.
    Vala atmete tief durch. »Lucius Eggius, es ist zu spät, wir sind längst geschlagen und würden uns geordnet zurückziehen, wenn das bei diesem Gelände möglich wäre. Aber uns bleibt nur, den nächsten geeigneten Lagerplatz zu besetzen und dort Befestigungen anzulegen, mit denen wir die Barbaren eine Weile abwehren können, bis Entsatz kommt.«
    »Und wer soll den rufen?«, platze Ceionius heraus. »Wir können auf keinen einzigen Reiter verzichten!«

    »Wir haben keine andere Wahl, und genau das werde ich dem Statthalter verdeutlichen.«
    Brüsk drehte Vala sich um und winkte einen Mann näher, der ihm helfen sollte, aufs Pferd zu springen.
    »Wir sollten gemeinsam zu ihm gehen«, wandte Ceionius ein.
    »Es ist keine Zeit für Beratungen«, entgegnete Eggius schroff. »Jemand muss den Platz des Primipilus einnehmen.«
    »Ich habe dem Optio Opimius den Befehl erteilt, die Centuria bis auf Weiteres zu führen. Eine Beförderung ist das noch nicht, aber ich habe keinen anderen Mann. Es sind zu viele Offiziere gefallen.«
    Vala nahm die Zügel auf, nestelte den Helm vom Gürtel und stülpte ihn über den Kopf.
    »Jemand muss sich an die Spitze der Legion stellen, jetzt nachdem sowohl der senatorische Tribun als auch der ranghöchste Centurio fehlen«, fuhr Ceionius nachdrücklich fort.
    »Das ist jetzt eure Aufgabe«, erwiderte Vala, »ebenso wie die Suche nach einem Lagerplatz. Einer von euch beiden wird diese Stelle übernehmen müssen, der andere folgt mir später zum Statthalter.« Er wendete sein Pferd, zögerte dann, drehte sich im Sattel nochmals um. »Was auch immer geschieht, ich dulde keine Heldentaten! Die Truppe bleibt beisammen, Kämpfe sind auf das Allernötigste zu beschränken. Ich will keinen Mann mehr verlieren!«
    Gefolgt von seinen Leibwächtern und einem Schwarm Reitern, trieb er sein Pferd den Weg entlang, um Varus die neuerlichen Verlustmeldungen zu überbringen.

XI
    D er Stabsmedicus hatte die Platzwunden in Annius’ Gesicht, den großflächigen Bluterguss auf seinem Oberarm und sein Knie untersucht, aber keinen Verband anlegen lassen, sondern nur eine Salbe verordnet, bevor er sich mit einem aufmunternden Klaps auf die Schulter verabschiedete. Die kleineren Blessuren hatte Annius verschwiegen. Ein Gefreiter versorgte die verkrusteten Platzwunden über dem Auge und am Jochbein, dann nahmen ihn zwei Praetorianer in ihre Mitte und führten ihn zum Wegrand, wenige Schritte nur, doch bei jedem einzelnen war ihm, als bohre sich ein eiserner Dorn in sein Knie.
    Im Schutz einiger Bäume stand der Statthalter, tauchte die Hände in ein Bronzebecken, das ihm ein kräftiger Mann hinhielt, und wusch sich Gesicht und Arme, bevor er sich etwas zu gründlich abtrocknete. Erst als er das Tuch zurückgegeben hatte und der Mann sich nach einer angedeuteten Verbeugung entfernte, wandte der Statthalter sich Annius und den Praetorianern zu, die er mit einem Nicken entließ.
    »Du hast Gaius Caelius Caldus also begleitet«, begann er. »Wie kommt das? Du trägst die Rüstung eines Legionärs, nicht das Kettenhemd eines Reiters.«
    Annius zögerte und umfasste den dunkel verfärbten Oberarm. »Gefolgt bin ich ihm«, sagte er vorsichtig. »Meine Einheit
war versprengt, ich allein zurückgeblieben. Das Pferd kam wie gerufen …«
    »Du hast dich von deinen kämpfenden Kameraden … entfernt?«
    Varus musterte ihn mit einem durchdringenden Blick; sein Gesicht war spitz, die Stirn verfinstert. Einen Atemzug lang legte Annius sich eine Rechtfertigung zurecht, dass er im Gefecht gestürzt sei. Dass er benommen gewesen sei und zu lange gebraucht habe, um wieder auf die Beine zu kommen. Doch wozu? Er hatte in der Tat seine Kameraden ihrem Schicksal überlassen, war zu Pferd flüchtenden Feinden hinterhergejagt, anstatt zu seiner Einheit aufzuschließen. Ergeben ließ Annius den Kopf hängen, grub die Zähne in die Unterlippe, bis er Blut zu schmecken glaubte, dann begann er zu berichten, tonlos, in kargen Worten,

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