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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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finden. Etliche Männer waren damit beschäftigt, den Hang abzugehen, Waffen und Teile der Rüstungen einzusammeln, aber die Leichen ließen sie liegen.
    Annius wandte sich verstört ab. Am Wegrand standen die Offiziere des Stabes beieinander. Einer der ritterlichen Tribunen, ein älterer Mann, winkte Annius und die anderen Bewacher des Gefangenen zu sich, packte den jungen Barbaren an seinem zerrissenen Waffenrock und zerrte ihn mit sich, ungeachtet der Ketten, die Annius zwangen, ihm zu folgen.
    »Ein frontaler Sturm auf den Wall ist sehr gefährlich«, hörte Annius den Lagerpraefecten Ceionius sagen. »Die Soldaten
müssen dabei ein Stück den Hang hinauf. Das erschwert den Angriff, denn wir können keinen Druck auf die Feinde erzeugen, während diese uns von oben leicht abwehren können.«
    »Eine andere Möglichkeit haben wir nicht«, entgegnete sein Kollege Eggius. »Wir können sie nicht umgehen, und sie versperren den Weg aus den Sümpfen.«
    »Wir sollten den hier fragen!«, blaffte der ritterliche Tribun, der den Gefangenen festhielt.
    Vorsichtig glitt Annius aus dem Sattel und sprang mit dem gesunden Bein zuerst auf den Boden. Während er näher trat, versuchte er angestrengt, das Hinken zu unterdrücken. Legat Vala, der finster vor sich hin stierte, schüttelte wortlos den Kopf.
    »Der Mann hat nicht einmal gelogen, als er seine Botschaft überbrachte«, sagte er schließlich. »Er berichtete, Arminius werde dem Feind am nächsten Tag begegnen, was dann auch geschah, denn am nächsten Tag überfielen uns die aufständischen Barbaren. Ihr wisst doch, bei wem Arminius und Segimerus das Handwerk des Krieges gelernt haben - oder habt ihr das vergessen? Dieser Mann weiß nicht mehr als das, was er für seine Aufgabe wissen muss.«
    Varus’ Miene verdüsterte sich, von seinen Lippen war nur noch eine schmale, abwärtsgebogene Linie zu sehen.
    »Wir brauchen Entsatz«, sagte er nach einer Weile. »Aber bisher ist offenbar jeder Bote abgefangen worden. Wir haben keinerlei Verbindung zu den anderen Truppen im Land und den Lagern entlang der Lupia und am Rhenus.«
    »Ich frage mich, ob es diese anderen Truppen überhaupt noch gibt«, knurrte Eggius.
    »So viele Männer, um sämtliche verteilten Einheiten zu überwältigen, können die Aufständischen nicht aufbringen«, entgegnete Vala.

    Varus’ Blick wanderte von einem zum anderen und heftete sich schließlich auf den Gefangenen, der steif aufgerichtet zwischen Annius und dem anderen Bewacher stand. Der Barbar schluckte sichtlich, reckte trotzig das Kinn.
    »Dazu braucht es nicht viele Männer«, sagte Varus scharf. »Wenn man den Gegner sehr genau kennt, um seine Schwächen und Stärken weiß, sich auf die eigenen Leute verlassen kann und das ganze Vorhaben gut vorbereitet ist, genügen wenige Verschwörer für den Anfang.«
    Der junge Barbar, den Varus unverwandt anstarrte, senkte den Kopf und zog die Schultern hoch.
    »Ich habe die Fürsten gegen mich aufgebracht, indem ich nach unseren Gesetzen Recht sprechen und Tribute einholen ließ«, fuhr Varus fort. »Ich vertraute denen, die mich unterstützten - vielmehr, von denen ich glaubte, dass sie mich unterstützen, aber nicht denen, die mich warnten. Als das einfache Volk die Gerichte bestürmte mit seinen Klagen gegen ungerechte Herren, erkannte ich nicht die Gefahr, dass die angeklagten und oft auch schuldig gesprochenen Herren dadurch gegen uns aufgebracht würden. Die Barbaren sind ein wildes Volk, durch Gesetze nicht zu zähmen. Hier, am Rande der Welt, ist Frieden kein ersehntes Ziel, sondern ein schändlicher Zustand, und die Barbaren achten nur den, der sie mit dem Schwert bezwingt. Also werden wir sie mit dem Schwert bezwingen müssen, ganz gleich, wie schwer dieser Gang für uns wird.« Er wandte sich Vala zu. »Die Reiterei muss dem Feind in den Rücken fallen, damit wir darauf hoffen können, ihn zu überwältigen.«
    Schweigend wechselten die Offiziere argwöhnische und unsichere Blicke wie Schüler, die befürchten mussten, dass derjenige, welcher ausspräche, was alle dachten, eine gehörige Tracht Prügel davontrüge.

    »Rechnest du damit, die Barbaren bezwingen zu können, Publius Quinctilius?«, fragte Vala schließlich.
    »Wenn ich nicht damit rechnete, ließe ich die Truppen nicht zum Kampf aufstellen.« Varus straffte sich und machte einen Schritt in die Runde. »Wer behauptet, wir hätten schon verloren, mein lieber Quintus Numonius? Wir werden bedrängt, Wetter und Gelände lassen

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