Varus - Historischer Roman
rückten nach. Von der Last der Speere befreit, zückten die Soldaten die Schwerter, im Takt ihrer Schritte schlugen sie damit auf
die Schilde und stießen kurze, tiefe Rufe aus. Der Lärm, den diese mehreren Tausend Mann in klirrender Rüstung machten, betäubte die Ohren.
Vom Hang, aus der Tiefe des Waldes, erscholl die Antwort, ein dumpfes Grollen, das anschwoll wie Meeresbrandung, sich in das Brüllen eines riesigen Raubtieres verwandelte. Salven von Wurfspießen und Pfeilen regneten auf die Soldaten herab. Vala warf den Arm nach vorn, stieß der Stute die Sporen in die Seiten und schrie den Befehl - »Vorwärts!« - über den Lärm hinweg. Hinter ihm gellten die Hörner, donnerten die Hufe der Pferde. Er hielt auf den Wall zu, zählte bis fünf, stieß dann den linken Arm empor. Sofort ertönte der Befehl zur Wende.
In weitem Bogen umgingen die Reiter den Wall, erreichten den Wald, während hinter ihnen der Kampflärm leiser wurde, unter dem Rasseln der Geschirre und dem Hufgetrappel erstarb. Der Wald dämpfte alle Geräusche. Vala führte sie den Hang hinauf, spähte nach beiden Seiten, ob Feinde in Sicht kamen. Sie erreichten den breiten Rücken des Hügels, der übersät war mit Spuren. Laub und niedrige Pflanzen waren zertrampelt, breite Pfade verrieten die Wege der Barbaren. Vala querte diese Wege, führte die Reiter in das sanfte Hochtal dahinter, eine Senke zwischen den Hügeln, bedeckt von lichtem Buchenbestand, schwenkte in einen Pfad gen Sonnenuntergang ein.
Im Wald dunkelte es bereits, der Tag ging zur Neige. Ihnen blieb nicht viel Zeit. Bei diesem Gedanken brach ihm der Schweiß aus; er musste sich die Finger an der Tunica abwischen, damit ihm die Zügel nicht entglitten. Er drückte die Sporen an die Flanken der Stute, die sogleich weiter ausgriff und den Hals lang machte.
Unversehens hörte er Rufe, bemerkte einen Reiter, der zu
ihm aufgeholt hatte, die Hand um den Mund wölbte und ihm etwas zuschrie. Dann hinter sich deutete. Sie wurden verfolgt! Arminius und Segimerus hatten jeden ihrer Schritte voraussehen können, zu lange hatten beide als erfahrene Führer berittener Einheiten in römischen Diensten gestanden.
Zischend sausten ihnen Geschosse entgegen. Er befahl eine halbe Wende nach links, über den Hügel in die Senke hinunter, hörte die Signale, als ihm klar wurde, dass nichts diesen Feind überraschen würde. Vor ihm schwärmten feindliche Reiter auseinander, stießen kurze Schreie aus, schwangen Wurfspieße. Immer mehr Barbaren wälzten sich durch den Wald. Vala trieb die Rappstute in halsbrecherischem Galopp geradewegs den Hang hinunter, riss den Schild aus der Halterung am Sattel und zückte das Schwert.
Er und die ersten Züge seiner Reiter erreichten den Talgrund vor den Kriegern, trieben ihre Pferde über den Bach, den nächsten Hang entlang, wendeten und stellten sich. Jahrelanges Üben und Exerzieren bewährte sich, als nach der Wende die Reiter in einer breiten Front auf die Barbaren zuhielten und diese in einem Augenblick der Verblüffung ihre Pferde zügelten.
Vala hielt den Atem an. Die Hörner gellten zu beiden Seiten, der Signifer mit seiner blitzenden versilberten Maske hielt sich neben ihm, und auch die übrigen Reiter der ersten Linie schlossen auf, Schild und Zügel in der Linken, das Schwert in der Rechten. Im Sprung prallten die Pferde der Soldaten und Barbaren aufeinander, Schilde krachten, Klingen knirschten über Holz, die Schlachtreihen verkeilten sich. Pferde schrien, als die hinteren Reihen nachsetzten. Vala spähte nach einem Flecken bloßer Haut, nach dem Gesicht des Gegners, der ihn mit seinem Schild bedrängte. Er stieß die Klinge über den Schild hinweg, stieß nach, als der Gegner
fluchend zurückzuckte, und jauchzte, als er das unterdrückte Ächzen hörte, den Mann aus dem Sattel rutschen sah. Er trieb die stampfende, wild um sich schnappende Stute gegen den nächsten Krieger, warf ihn mit dem Schwung seines Schildes vom Pferd.
Die Gegner waren allzu leicht zurückgedrängt. Argwöhnisch blickte Vala sich um, sah sich durch einen Ring von Barbaren getrennt von seinen Leibwächtern und den Soldaten. Hinter ihm herrschte wildes Kampfgetümmel. Einer der Bläser stieß ins Horn zu einem sinnlosen Hilferuf, der jäh abriss, als eine Klinge ihm die Kehle durchhieb. Die Barbaren jubelten, reckten siegestrunken die Waffen in die Luft. Vala wendete die Stute, schlug mit dem Schwertblatt auf ihre Kruppe ein, und sie durchbrach den feindlichen Ring. Die
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