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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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uns nicht kämpfen, wie wir zu kämpfen gewohnt sind, und die Feinde drangsalierten uns mit feigen Angriffen aus dem Hinterhalt und ebenso feiger Flucht. Doch Fortuna steht den Tapferen bei.« Er legte Vala eine Hand auf die Schulter. »Bereite die Reiter auf ihre Aufgabe vor. Sobald die Schanzarbeiten beendet sind, werden wir angreifen.« Beschwörend hob er die Hände. »Dies ist der Ort der Entscheidung, nach dem wir seit zwei Tagen gesucht haben. Dem Feind auf breiter Front entgegenzutreten, das ist unsere Stärke, und in einer solchen Schlacht trägt derjenige den Sieg davon, der die besseren Männer befehligt, die tapfereren und standhafteren. Ihn werden die Götter begünstigen, und die feige List wird sich am Ende nicht auszahlen. Sagt das unseren Männern!«
    Annius spürte sein Herz pochen, neuer Mut durchströmte ihn, während die Runde sich auflöste. Für jeden der Offiziere hatte Varus noch ein paar Worte, und Annius sah ihnen an, dass sie sich nicht nur zusammennahmen, um ihre Pflicht zu tun, sondern wieder Zuversicht ausstrahlten. Sosehr das Knie ihn auch schmerzte, er drängte nach vorn, bis er unversehens vor Varus stand, der einen Augenblick lang verdutzt erschien.
    »Schick mich zurück zu den kämpfenden Truppen, Publius Quinctilius! Mein Platz ist dort!«
    »Deine Tapferkeit ehrt dich, Titus Annius, aber ich schicke keinen untauglichen Mann in die Kampflinie.«

    Ehe Annius sich versah, wurde er beiseitegeschoben. Auf seinen Wangen brannte die Scham darüber, zum Wächter eines Gefangenen herabgewürdigt zu sein.
    »Was machen wir mit dem hier?«, rief der einäugige Praetorianer und rasselte mit den Ketten des Gefangenen. »Man könnte es halten wie die Barbaren - ihm den Kopf abschlagen, ihn dann auf ein Pferd binden und zu seinen Leuten schicken.«
    Die Umstehenden lachten, doch Varus musterte den jungen Barbaren stumm unter leicht zusammengezogenen Brauen und rieb sein Kinn, während das Gelächter allmählich erstarb.
    »Ich weiß nicht, was für eine Rolle die Götter ihm zugedacht haben, aber er hat kein todeswürdiges Verbrechen begangen.«
    »Er gehört zu den Meuterern!«, bellte der Einäugige aufgebracht.
    »Und er gehört zu einer Handvoll Gefangener, deren Aussage uns helfen wird, diese Verschwörung aufzudecken. Deshalb werdet ihr ihn bewachen - und das ist keineswegs ehrloser, als in der Schlacht zu stehen.«

    Das Zelt des Statthalters war eines der ersten, die in dem notdürftig geschanzten Marschlager errichtet worden waren. Als Vala eintrat, sah er nur zwei Schreiber, den gefangenen Barbaren und den verwundeten Gefreiten, den Varus jetzt offenbar zu seinen Begleitern zählte. Ein Freigelassener wies ihm wortlos den Weg in den hinteren, abgetrennten Teil des Zeltes, wo Varus stand, angetan mit einer schneeweißen Tunica, deren breite Purpurstreifen den hohen Rang ihres Trägers kennzeichneten. Varus nickte ihm zu, während
der Leibsklave zwei andere Bedienstete anwies, den ebenfalls weißen Waffenrock zu bringen. Sorgfältig bekleideten sie den Statthalter, glätteten die schützenden Lederstreifen und entwirrten die Fransen. Zwei Männer aus seiner Leibwache legten ihm den Brustpanzer um, den ein versilbertes Medusenhaupt zierte, schlossen die Schulterspangen und die Schnallen an den Seiten.
    »Wirst du zu den Soldaten sprechen?«, fragte Vala.
    »Welch eine Frage! Selbstverständlich werde ich das! Und ich werde mich auch nicht hinter die Linien zurückziehen.«
    Vala hatte bemerkt, dass die beiden Leibwächter, die nun die Beinschienen bereithielten, zusammengezuckt waren. Den Feldherrn in der vordersten Reihe zu schützen, war in einer Schlacht auf ebenem Feld schon schwierig und für die Leibwächter lebensgefährlich - umso mehr, wenn eine Befestigung angegriffen wurde.
    »Keine Bange!«, fuhr Varus mit strenger Miene fort. »Ich werde ihnen nicht erzählen, es sei süß und ehrenvoll, fürs Vaterland zu sterben. Sie sollen nicht an den Tod denken, sondern sich durch die feindliche Mauer schlagen, um diesem widerlichen Spuk ein Ende zu bereiten.«
    Die Leibwächter legten ihm den Gürtel mit dem Schwert um, die Sklaven drapierten das leuchtend rote, mit goldenen Zweigen bestickte Manteltuch über seine Schultern, während er sich den Schal zurechtzupfte. Den Helm knüpfte er eigenhändig an den Gürtel, dann ging er auf Vala zu, nahm diesen bei der Schulter und führte ihn in die andere Hälfte des Zeltes.
    »Herr!« Varus’ Leibsklave stand im Durchgang, hielt in den

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