Varus - Historischer Roman
schloss Ceionius die Augen und flehte Iupiter um einen Blitzstrahl an, der aus den Wolken fahren und die Feinde versengen sollte. Stattdessen wurde er vorwärtsgedrückt, an den Wall. Anfeuernd stieß er das Schwert in die Höhe, befahl vorzurücken. Nach weiteren Speersalven berannte die zweite Schlachtreihe den Wall, und das Geschiebe machte es den Feinden leicht, die Soldaten, die sich kaum bewegen konnten, abzuwehren. Zwei der ritterlichen Tribunen hetzten ihre Pferde hinauf, aber die Tiere rutschten aus, eines knickte ein, keilte wild um sich und fiel samt dem Reiter unter die Soldaten. Blanker Schrecken ließ die Männer zurückweichen vor den wirbelnden Hufen, Schreie gellten auf, einzelne Männer verschwanden wie Ertrinkende in den Wellen. Die Befehle, die Töne der Hörner verhallten nutzlos, und es war kein Hinkommen, um die verstörten Soldaten zu beruhigen.
Plötzlich brach der Wall unter den Füßen einiger Männer, sie stürzten, ein Keil entstand in der Schlachtreihe, Barbaren erschienen zu beiden Seiten des Durchbruchs. Mit langen Lanzen stießen sie nach den zurückweichenden Soldaten. Wütend bahnte Ceionius sich zwischen den Soldaten einen Weg, brüllte, sie sollten die Reihen schließen, die Stellung halten. Als er den Halt verlor, sich an einen Legionär klammern musste, ihn beinahe zu Boden gerissen hätte, wurde ihm klar, dass der Wall nicht zufällig gebrochen war. Ein schmieriger Film bedeckte das zertrampelte Gras. Die Barbaren lenkten Wasser durch den Durchbruch.
Kriegsgeschrei erhob sich auf dem Wall. Ein rascher Blick auf die Lücke ließ das Blut in den Adern gefrieren. Eine Horde Barbaren warf sich auf die weichenden Soldaten, die rückwärts stolperten, ihre Schilde nicht halten konnten. Entschlossene Krieger zerschlugen die durcheinandergeratene
Schlachtlinie und stießen die überrumpelten Soldaten zu Boden, einige wurden gepackt und hinter den Wall gezerrt. Die Verletzten schrien, doch niemand rettete sie in die eigenen Reihen, Ceionius mochte brüllen, was er wollte. Die Soldaten wichen weiter zurück, strauchelten, schlitterten, stürzten, leichte Beute für die Barbaren, deren wutverzerrte Gesichter hinter den ovalen Schilden kaum zu erkennen waren.
Endlich rückten die Soldaten wieder zusammen, dank der erfahrenen Männer aus den hinteren Reihen wurde die Schildmauer wieder geschlossen, die Angreifer von der schieren Masse der Legionäre zurückgedrängt.
»Zum Orcus mit euch Jungvolk!«, rief Ceionius den Soldaten zu, die zurückgewichen waren. »Ihr müsst zusammenstehen! Lückenlos! Schilde hoch! Dann können sie euch nichts anhaben! Das wisst ihr doch!«
Mühsam kämpfte Ceionius sich durch den schlüpfrigen Morast, verteilte aufmunterndes Schulterklopfen. Der Wall war an mehreren Stellen gebrochen, und das Durcheinander machte die Männer in den ersten Reihen zu leichten Zielen. Inzwischen waren so viele gefallen oder verwundet, dass die mittleren Reihen, die aus jüngeren und weniger erfahrenen Soldaten bestanden, die Hauptlast des Kampfes tragen mussten. Diese Männer waren so sehr damit beschäftigt, die Hiebe der Barbaren abzuwehren, dass sie kaum zum Angriff kamen. Schließlich schoben sich die Veteranen durch die Lücken nach vorn, rissen den einen oder anderen Mann an seinem Spieß herunter und stachen ihn nieder. Schreie und Waffenklirren, Kampfgebrüll und Stöhnen erfüllten die Luft, die geschwängert war vom Geruch modriger Erde, von Blut und Schweiß. Es wurde Zeit, dass Valas Reiter eingriffen. Ceionius sah über den Hügel hinweg, bemerkte, dass es zu dämmern begann. Der Angriff
auf der Flanke hätte längst erfolgt sein müssen, aber davon war nichts zu bemerken.
Geschütze knallten, dann prasselten einzelne große Geschosse auf sie herab, die dumpf auf die Schilde prallten. Als eines dieser Geschosse den Mann, neben dem Ceionius gerade stand, an der Schulter traf, schrie dieser schrill auf. Eine blutige Hand rutschte über seinen Panzer. Ceionius überwand den Brechreiz, fluchte, während die Soldaten ringsum schreckstarr zurückwichen. Vorn erlahmte der Kampf, als hinter der Palisade Pfähle hochgestemmt wurden, Pfähle, an denen nackte, blutüberströmte Körper hingen. An den Füßen aufgehängt. Ohne Kopf. Vor Ceionius erbrach sich ein junger Soldat, manche stolperten einfach davon, andere bestürmten unter Zorngebrüll den Wall und rannten blind in die Spieße und Klingen der Feinde. Wie gelähmt starrte Ceionius die Leichen an, die Barbaren,
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