Varus - Historischer Roman
übergab die große einem Gefreiten mit tief herabhängenden Mundwinkeln und scharfen Unmutsfalten, dem er ein aufmunterndes Grinsen schenkte.
Im Innenhof des Stabsgebäudes wartete er an einen hölzernen Pfeiler gelehnt, bis Sabinus in den Schatten des Säulengangs trat.
»Viel Zeit bleibt uns heute nicht mehr«, knurrte Sabinus.
Annius tätschelte seine Schulter. »Für uns beide habe ich noch genug guten Wein aus meiner Heimat.«
»Bestens.« Sabinus’ Miene hellte sich ein wenig auf. »Wir machen es uns halt in der Stube gemütlich und verschieben den geselligen Teil auf den nächsten freien Nachmittag.«
»Davon wird es vor dem Abmarsch nicht mehr viele geben.«
Sabinus zog die Brauen zusammen, nickte und brummte vor sich hin.
In der Stube, die sie miteinander teilten, tanzte der Staub in den Sonnenstrahlen. Annius, der Tasche und Schuhe im Vorraum zurückgelassen hatte, griff nach dem Besen und
fegte, während Sabinus seine schmutzige Wäsche zusammensammelte und in einen großen Beutel stopfte. Als eine Bucina den Beginn der ersten Nachtwache verkündete, sa ßen sie vor den Resten ihres Abendessens. Düfte von frisch gebackenem Fladenbrot, Speck und in Kräuteröl verriebenem Ziegenkäse stritten mit dem des Weines aus Tarraco.
»Jetzt erzähl endlich was von deinem Täubchen!«, sagte Sabinus unvermittelt. »Das ganze Lager summt vor Gerüchten, und du sprichst nicht einmal mit deinem besten Freund darüber!«
Unwillig schüttelte Annius den Kopf. Sabinus war sein einziger Stubengenosse, seitdem man ihn in Varus’ Stab beordert hatte. Als Gefreiter mit doppeltem Sold genoss er das Vorrecht, nicht mehr mit sieben weiteren Kameraden Zelt oder Quartier teilen zu müssen. Obwohl er seine dienstfreien Nachmittage gern mit Sabinus verbrachte, verdross ihn dessen Hang zu maßloser Übertreibung. Der Stadtrömer mochte zwar glauben, Annius’ bester Freund zu sein, aber es war ihm bislang nicht gelungen, diese Stelle wirklich einzunehmen. Jetzt umso weniger, da Annius gehofft hatte, Sabinus käme nicht mehr auf die Frage zurück. Doch dem anderen ließ es offenbar keine Ruhe, dass Annius über den Verbleib seines Gewinns beharrlich schwieg.
»Ich habe nichts zu erzählen«, antwortete er mit einem knappen Schulterzucken.
Augenrollend sank Sabinus gegen die Kante seiner Pritsche. »Macht sie Scherereien? Ist sie zimperlich? Ich kauf sie dir gerne ab. Ich werde schon mit ihr fertig.«
Annius lag schon eine heftige Erwiderung auf der Zunge, aber er schwieg und kaute auf der Oberlippe, während Sabinus ihn angrinste.
»Eifersüchtig?«
»Ich hab dieses Kind doch nicht den Klauen dieses Lumpenkerls entrissen, um es gleich an den nächsten weiterzureichen!«
»Immerhin hattest du wohl als Erster das Vergnügen.« Feixend trank Sabinus ihm zu. »Auch wenn Fufidius nicht müde wird, jedem weiszumachen, dass er dich übers Ohr gehauen hat mit der kleinen Schlampe.«
»Schweig!«, blaffte Annius, leerte den Becher in einem Zug und stellte ihn mit einem harten Knall auf den Tisch. Das tönerne Gefäß zerbrach. Stumm starrte er seine Finger an. Was, beim Hercules, trieb ihn zu diesem Zorn? Wortlos fegte er die drei Bruchstücke mit den Händen zusammen und stand auf. Er warf die irdenen Reste in den Aschekübel neben dem Herd und nahm einen anderen Becher vom Regal, den er eine Weile in der Hand drehte. Wie ein Wachhund, der soeben noch wild bellend gegen eine Tür gesprungen war, legte sich der Zorn, noch immer wachsam und lauernd.
»Fufidius ist ein verlogenes Schandmaul«, sagte Sabinus so leise, dass Annius die Vorsicht heraushörte. »Niemand glaubt ihm. Und bei dieser Gelegenheit hätte jeder zugegriffen. So ein junges Ding kann man noch zurechtbiegen, wie man es braucht.« Er verschränkte die Hände im Nacken, während ein feines Lächeln sich in seine Mundwinkel stahl. »In neun Jahren endet meine Dienstzeit. Dann werden mir mein angesparter Sold und das Entlassungsgeld ausbezahlt. Das ist ein Haufen Geld. Ich werde nach Italien zurückkehren und Land kaufen. Und dann lege ich mir auch so ein hübsches Ding zu, das nicht älter sein sollte als deine Kleine. Denn ich will ja noch ein paar stramme Jungs haben.«
Annius schenkte sich aus dem Krug nach, setzte sich wieder
und hob den Becher. »Trinken wir auf dein zukünftiges Leben als Bauer in Latium.«
»Und auf deines als Weinhändler in Tarraco.«
Lauschend hob Sextus Ceionius den Blick von dem Papyrus auf seinen Oberschenkeln. Genagelte
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