Varus - Historischer Roman
Sohlen näherten sich krachend durch den Gang. Der Lagerpraefect stand auf, legte den Papyrus auf den Tisch und klatschte in die Hände, um den diensthabenden Gefreiten zu rufen, da kamen die Schritte zur Ruhe, jemand pochte an die Tür, und kaum hatte er Einlass gewährt, betraten zwei hochgewachsene Legionäre den Raum.
»Publius Quinctilius Varus, der Legat des Augustus im Range eines Praetors, erwartet dich im Stabsgebäude«, vermeldete der ältere der beiden nach kurzem Gruß. »Du sollst an den Gesprächen mit der Gesandtschaft der Brukterer teilnehmen.«
Ceionius schnippte nach seinem Umhang, ließ sich mit dem Schwert gürten und machte sich auf den Weg, gefolgt von zwei Gefreiten. Draußen empfing ihn ein lauer Spätsommerabend, die Sonne war längst untergegangen, aber die trockene Erde verströmte noch die Wärme des Tages. Über die erleuchteten Lagerstraßen erreichten er und seine Begleiter rasch einen der Hintereingänge des Stabsgebäudes, wo die Wachsoldaten von einem weiteren Gefreiten abgelöst wurden, der den Lagerpraefecten und sein kleines Gefolge durch den Innenhof in einen kleinen Saal führte.
Vier oder fünf Barbaren mit gestutzten Bärten blickten ihm entgegen, Männer mittleren Alters mit verhärteten Mienen und vor der Brust verschränkten Armen. Das helle, bei einem schon von grauen Strähnen durchzogene Haar hing,
wie üblich bei diesem Stamm, lose herab, die fransenbesetzten Umhänge hatten sie über die Schultern zurückgeworfen, und die Hosenbeine steckten in weichen Stiefelschäften. Varus thronte im Feldherrenschmuck auf einem Sessel, umgeben von den Befehlshabern der Legionen und seinen Beratern, während hinter ihm Lictoren und Leibwächter aufgereiht waren. Als Ceionius Arminius unter ihnen erblickte, dankte er den Göttern, dass der Cherusker nichts Wichtigeres zu tun hatte, denn in seiner Gegenwart würden die Barbaren es wohl kaum wagen, sich in ihrer Sprache heimlich zu beratschlagen.
Kaum hatte Ceionius Platz genommen, eilte der junge Quaestor Marcus Fulvius herein, mit ihm sein kleines Gefolge von Schreibern, die sich flink auf die Mitschrift vorbereiteten. Schließlich trat einer der Brukterer vor, ein älterer Mann, der einen langen weißen Stab hielt, verneigte sich ein wenig zu schnell und begann, in unbeholfenem Latinisch seine Beschwerde vorzubringen.
»Unser Volk leidet unter den Forderungen, die eure Steuerpächter verlangen. Unsere Leute hungern. Es gibt keine Vorräte. Und wenn wir sie zu den Diensten heranziehen, die sie schon für unsere Ahnen verrichteten, dann bestürmen sie eure Gerichte mit Klagen, von uns ungerecht behandelt zu werden. Und wenn eure Richter den Klägern recht geben, untergraben sie unsere Macht - und damit auch eure.«
Nachdem er sich mit einer leichten Verbeugung wieder zurückgezogen hatte, blickten die Barbaren erwartungsvoll zu Varus, der mit den Fingerspitzen sacht auf seine Unterlippe tippte, ohne den Blick vom Sprecher der Gesandtschaft zu wenden. Einer der Schreiber flüsterte Ceionius zu, der Sprecher der Gesandtschaft heiße Tauta und sei ein angesehener Fürst in seinem Volk.
»Marcus Fulvius, gehe ich recht in der Annahme, dass du über die Geschäfte mit der Gesellschaft der Publicani Bescheid weißt?«
»Darüber bin ich im Bilde«, erwiderte der Mann mit dem braunen Schopf und dem dünnen Schnurrbart geflissentlich. »Allerdings weiß ich nicht, wen die Gesellschafter mit der Steuereintreibung bei den Brukterern beauftragt haben.«
»Ich kenne die Männer, Publius Quinctilius«, sprang Ceionius dem jungen Quaestor bei. »Sie baten um die Erlaubnis, sich einer Cohorte anzuschließen, die im Frühjahr auf dem Gebiet der Brukterer postiert werden sollte. Ihre Namen befinden sich in meinen Unterlagen.«
»Dann werden wir der Angelegenheit nachgehen«, sagte Varus, und sein Tonfall verriet, dass das ein Befehl war.
»Wir vertrauen auf deine Klugheit«, meldete sich Tauta erneut, »und hoffen, dass auch der Mann, der dich bei uns als Richter vertritt, seine Entscheidungen von nun an mehr im Sinne unserer Sitten fällen wird.«
»Solange eure Sitten nicht unsere Gesetze brechen, ist er dazu verpflichtet, Tauta.«
Ein leises Schnauben lenkte Ceionius’ Aufmerksamkeit auf Arminius. Der Tribun stand steifbeinig da, seine Kiefer mahlten, und die Fäuste ballte er in den Falten seiner wei ßen Tunica.
Tauta ergriff indessen erneut das Wort. »Wir wollen dein Wohlwollen nicht überbeanspruchen, aber …«
Mit drei
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