Varus - Historischer Roman
gekämpft und Stellungen gehalten, hatte junge Burschen ausgebildet und Verwundete in den Tod verabschiedet, doch nie hatte er sich an die Umgangsformen der hohen Offiziere gewöhnen können. Er war ein einfacher Mann, Sohn und Enkel von Bauern, herangewachsen unter Soldaten und Mannschaftsoffizieren, die auf Zucht und Tapferkeit hielten und ihren Stolz nicht wie ein Feldzeichen vor sich hertrugen. Gespräche wie dieses waren ihm fremd, weckten seinen Argwohn, sodass er immer wieder verstohlen an der Tür vorbei in den Raum spähte.
Der Statthalter legte Arminius eine Hand auf die Schulter. »Dein eigenes Beispiel zeigt dir, dass ein Mann auch als römischer Soldat durch Mut und Tapferkeit zu Ehre und Ruhm gelangen kann. Dass es dich beschämt, wenn andere diesem Beispiel nicht folgen, sondern sich in Unterwerfung üben,
was nach den Sitten deines Volkes ehrlos ist, wundert mich nicht. Deshalb habe ich dir keine Strafe auferlegt und auch nicht verlangt, dass du die Gesandten der Brukterer um Entschuldigung bittest.«
Missbilligend zog Caelius die Brauen zusammen, denn die Vertrautheit, die aus den Worten des Statthalters klang, erschien ihm übertrieben, ja geradezu unvorsichtig.
»Ich habe lange über deine Zukunft nachgedacht, mein junger Freund«, hörte er Varus nach einer Weile sagen. »Als Offizier wirst du nicht weiterkommen, das verbieten unsere Gebräuche. Außerdem kann ich in der Zeit, die ich hier verbringen werde, um diese Provincia umzugestalten, nicht auf deine Unterstützung verzichten.«
Auf dem Gang näherten sich Schritte, mehrere Männer traten ein. Erleichtert kehrte Caelius in den Hauptraum zurück, während sich weitere Offiziere und Gefreite zu ihnen gesellten. Die Centurionen der ersten Ränge begrüßten einander mit anerkennendem Nicken, gegenüber dem Statthalter und den Legaten bezeugten sie ihre Hochachtung durch Zurückhaltung.
Schließlich kamen auch Caelius’ Gefreite und brachten neben ihren schmucklosen Klappsitzen auch seinen Sessel mit, sodass er sich im Kreis der Offiziere niederlassen konnte. Der blasse Tribun Caldus, der dem senatorischen Zweig des weit verbreiteten Geschlechtes der Caelier entstammte, trat in die Mitte und hob die Arme, damit Ruhe einkehrte. Mit seiner zwar jungen, aber bestens geschulten Stimme verkündete er die Tagesordnung. Dann eröffnete der Statthalter das Treffen mit einer Rede, die Caelius mit unbeweglicher Miene hinnahm. Er war es gleichermaßen gewohnt, Interesse vorzutäuschen, wo es geboten erschien, und unbemerkt Gespräche zu belauschen, die ihn eigentlich nichts angingen.
Als Legat Vala das Wort ergriff, blinzelte Caelius sich wach, schließlich ging es nun um die Marschroute.
»Wir haben Nachricht, dass in mehreren Gauen der Brukterer und Tubanten Steuereintreiber schmählich davongejagt wurden. Einer sei sogar zu Tode gekommen. Da wir die Legionen ohnehin wieder in die Lager an Lupia und Rhenus führen wollen, werden wir einen Umweg durch die Wälder von Teutoburgium nehmen und die aufrührerischen Kleinfürsten in ihre Schranken weisen. Sobald wir dort mit strengen Strafen durchgegriffen haben, werden diejenigen, die ebenfalls damit liebäugeln, sich gegen uns zu erheben, ihre Absichten aufgeben, sodass wir das Heer unbesorgt in die festen Lager führen können.«
Caelius schnaufte leise. Seinen Männern würde eine Rückkehr nach Vetera nicht nur Erholung bringen, sondern auch die Möglichkeit, ihre Ausrüstung wiederherzustellen, und die Aussicht auf Urlaub. Und er selbst würde sich in allen Ehren von Statthalter und Stab verabschieden lassen, mit seinem Diploma einen Wechsel über den angesparten Sold und das Entlassungsgeld in Empfang nehmen und sich auf den Weg zurück in die Heimat machen. Sein Herz pochte schneller bei diesem Gedanken.
»Die Siebzehnte Legion wird nach der Vorhut, bestehend aus Kundschaftern und Gallischer Reiterei, die Spitze des Heereszuges bilden«, fuhr Legat Vala fort. »Die Mitte zwischen Stab und Tross bildet die Achtzehnte Legion, und vor der Nachhut marschiert die Neunzehnte.«
Zunächst hielt Caelius die Luft an, denn dass eine andere Legion dem Statthalter und seinem Stab vorangehen würde, verletzte seinen Stolz. Obwohl die Reihenfolge der Legionen auf dem Marsch offiziell durch das Los entschieden wurde, wusste jeder Offizier, dass kein Heerführer sich allein auf das
Schicksal verließ. Dann bemerkte er, dass Vala ihn und die ranghöchsten Centurionen der Siebzehnten und Neunzehnten zu sich
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