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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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Wiesel eine Gefahr für uns ist«, entgegnete der andere. »Der räudige Hund hört nicht auf ihn.«
    »Bringt es zu Ende!«
    Angestrengt spähte Thiudgif zwischen den Fingern hindurch, sah jenseits des Gestrüpps einen Schemen, der hochaufgerichtet dastand, ihr den Rücken zuwendend, ein Mann im roten Umhang eines Decurio, von dessen bronzebeschlagenem Gürtel ein Schwert und ein Dolch hingen. Sie zog den
Kopf ein beim Anblick der Waffen, würgte an dem Kloß, der ihr die Kehle zuschnürte. Zwei andere beugten sich über den, der ins Gebüsch gestürzt war, zerrten ihn hoch, schleppten ihn zum Fluss.
    Nur ein Baumstamm schützte Thiudgif, aber sie konnte sich nicht rühren, starrte gebannt durch das Blattwerk der Zweige. Die beiden Männer warfen den dritten ins Wasser, sprangen hinterher. Leben kam in den Bewusstlosen, als sie ihn untertauchten; er warf sich herum, langte nach den anderen, die ihn fluchend festhielten. Er keuchte, stieß kurze, spitze, dann gurgelnde Schreie aus, Wasser spritzte weit umher. Thiudgif krümmte sich zusammen, doch sie war nicht imstande, den Blick abzuwenden von dem ungleichen Kampf in den aufgewühlten Fluten. Selbst als das Opfer erlahmte, hielten ihn die beiden anderen unter Wasser fest.
    Wie erstarrt kauerte Thiudgif zwischen den schützenden Büschen, als die beiden den schlaffen Körper zwischen das unterspülte Wurzelwerk am Ufer stopften und mit dünnen Ästen verkeilten. Dann kletterten sie aus dem Wasser, Hosen und Kittel klebten an ihren Körpern. Während sie sich bemühten, die Spuren, die sie auf dem Boden hinterlassen hatten, zu verwischen, warf der Decurio, der mit verschränkten Armen am Ufer gewartet hatte, einen prüfenden Blick auf den leblosen Körper.
    Mit pochendem Herzen verkroch Thiudgif sich tiefer in ihr Versteck, wo sie das Treiben der Männer nicht mehr beobachten, nur noch belauschen konnte. Als das Rascheln endlich aufhörte, vernahm sie nach einer kurzen Stille schwere Schritte, die sich rasch entfernten. Dennoch wagte sie kaum zu atmen, geschweige denn sich zu rühren, obwohl die Wildnis ringsum diesen Ort wispernd und zwitschernd wieder in Besitz genommen hatte.

    Thiudgif presste die Handballen auf die Augen und murmelte lautlos alle Gebete vor sich hin, die Mutter und Tante sie gelehrt hatten, Gebete an Frija, an die wilden Idisen, an Austro, dann hob sie zögernd den Kopf, spähte durch Blätter und Gezweig und horchte. Im schwindenden Licht klangen die gewohnten Geräusche unheimlich, dennoch verharrte sie reglos auf der Stelle, bis sie sicher war, dass sich niemand mehr in der Nähe aufhielt. Hastig kroch sie aus dem Gestrüpp, zog sich dabei brennende Schrammen zu. Den schmalen Weg zeichneten tiefe Spuren der genagelten Soldatenstiefel, die Wunden gerissen hatten in die dunkle Erde. Thiudgif fröstelte. Sie hatte ihre Sachen liegen gelassen. Wenn sich ihre Spuren mit denen der Soldaten mischten, geriete auch sie vielleicht in Verdacht.
    Barfuß schlich sie am Wegrand entlang zurück, bis sie die kleine Lichtung erreichte, und erschrak, als sie die beiden langen, geraden Äste erblickte, mit denen die Männer ihr Opfer am unterspülten Ufer befestigt hatten. Sie überwand den aufkeimenden Ekel und eilte zum Fluss, sah den nassdunklen Stoff, mit dem die Wellen spielten. Ein Arm pendelte in der Strömung hin und her. Schnell packte sie Rock und Beutel und stürzte davon, rannte zum Weg, den Berg entlang, weg von den Mördern. Sie würde den Hügel umrunden und sich dem Lager von der anderen Seite nähern. Nach Hause. In Sicherheit.
     
    Thiudgif kauerte auf dem Bett, hatte die Beine an die Brust gezogen und die Knie umschlungen, als sie Titus’ dumpfe Schritte vor der Tür erkannte. Ihr Herz pochte ruhiger, was sie verwirrte; sie hätte ihn doch fürchten müssen, den Mann, dem sie mit Leib und Leben ausgeliefert war. Stattdessen wünschte sie sich inständig, er möge sich beeilen, obwohl sie
Strafe fürchtete, denn sie hatte zwar ihr eigenes Zeug mitgebracht, aber die Wäsche vergessen, die sie zum Trocknen aufgehängt hatte, unten am Visurgis, unweit der Mündung jenes Flüsschens, an dem der Mord geschehen war.
    Sie schüttelte sich unwillkürlich. Annius schien ihr unendlich langsam zu gehen, hörbar zog er ein Bein nach. Endlich blieb er vor dem Eingang stehen, da sprang sie vom Bett herunter, stürzte zur Tür und schob den Riegel auf, den sie von innen vorgeschoben hatte. Als sie öffnete, schaute er sie erstaunt an, offenbar nicht ahnend,

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