Varus - Historischer Roman
gezäumt und gesattelt neben einem Grauschimmel, den eine purpurgesäumte Schabracke als Reittier des Statthalters auswies. Zwei weitere, grobknochigere Pferde warteten offenbar auf dessen Leibwächter.
Vala umrundete die Stute, strich über ihr schimmerndes Fell vom Widerrist über die Schulter hinab bis zum Huf, den sie unwillkürlich hob. Als er sich mit einem zufriedenen Lächeln wieder aufrichtete, scharrte sie. Anerkennend tätschelte er dem Pferdeburschen, der die Zügel losgemacht hatte, den Nacken.
»Sei gegrüßt an diesem schönen Morgen, Quintus Numonius«, ertönte hinter Vala die dunkle Stimme des Statthalters. »Lass uns sehen, ob wir uns auf dem Weg zu den festen Lagern als Herren oder als Getreidesäcke in den Sätteln halten werden.«
Schnurstracks ging Varus zu seinem Grauschimmel und ließ sich von einem Pferdeburschen in den Sattel helfen, wobei Vala wieder einmal bemerkte, wie beweglich der Statthalter für sein Alter war. Er beeilte sich, auf seine Stute zu springen, und lenkte sie neben den Grauen; die beiden Leibwächter, die Varus begleiteten, folgten ihnen in gebotenem Abstand.
Sie verließen das Lager durch das Haupttor, wendeten sich zum Flussufer, nahmen die Heerstraße, die hier nichts weiter als ein breit ausgetretener, staubiger Handelsweg war. Kinder tollten kreischend im seichten Wasser, einige Frauen spülten Wäsche aus, andere kauerten auf den Stegen, schrubbten Kleider und Laken oder schlugen sie an den Pfosten aus.
So manches Stück war als Tunica oder Mantel eines Soldaten zu erkennen.
»Die werden froh sein, wenn sie wieder gallische Erde unter den Füßen haben«, sagte Varus. »Hier draußen in den zugigen Unterkünften sind die Winter kaum auszuhalten.«
Vala nickte stumm und verfluchte insgeheim die Neigung der Soldaten, sich Weiber und Kinder zuzulegen, obwohl sie keine rechtmäßige Ehe eingehen konnten. Zwar musste man den Hinterbliebenen keine Entschädigung zahlen und konnte auch den angesparten Sold einbehalten, wenn das Familienoberhaupt zu Tode kam, doch auf dem Marsch waren diese Menschenscharen, die den Tross bevölkerten, um dem Heer zu folgen, hinderlich wie Fußketten für einen Rudersklaven.
»Quintus Numonius, ich brauche deinen Rat und deine Unterstützung.«
»Es geht um Iulius Arminius, habe ich recht?«
Varus nickte, ohne den Blick vom Weg abzuwenden. »Du weißt, dass er mir beim Aufbau dieser Provincia eine große Hilfe ist. Er führt Verhandlungen, berät mich bei schwierigen Gerichtsentscheidungen, schlägt mir fähige Männer für die unterschiedlichsten Aufgaben vor und unterstützt meine Bemühungen in jeder Hinsicht. Ich stehe tief in seiner Schuld und möchte mich in angemessener Weise erkenntlich zeigen.«
»Wie meinst du das? Zusätzliche Donationen? Eine Beförderung? Eine hohe, ehrenvolle Stellung als oberster Vertreter seines Volkes?«
»Nein, eine Art Königtum lehne ich ab«, erwiderte Varus. »Ich habe während meiner Statthalterschaft in Syrien erlebt, wie unheilvoll solche Herrscherhäuser handeln. Die Familie des Herodes war so zerstritten, dass sich der Sohn gegen
den Vater erhob und der Bruder gegen den Bruder - von den Weibern ganz zu schweigen. Dabei ging es im Grunde nur darum, die ungeheuren Reichtümer dieses Geschlechtes in die Hände zu bekommen.«
»Hier gibt es keine ungeheuren Reichtümer, Publius Quinctilius«, entgegnete Vala und fing sich einen amüsierten Blick ein.
»Da magst du recht haben. Aber es bleibt der brennende Ehrgeiz. Ich würde es vorziehen, wenn Tribun Arminius mich nach meiner Amtszeit zurück nach Rom begleitete. Ich könnte seine ehrenhafte Entlassung bewirken, und als Vertreter der Völker der Germania wäre er hochgeachtet an der Schwelle der Curia und in Caesars Haus.«
»So viel Ehre für einen Barbaren?«
»Er stammt aus königlichem Geblüt«, erwiderte Varus und gab seinem Grauschimmel die Sporen.
Eine Weile ritten sie schweigend nebeneinander her, ließen ihre Pferde auf dem krumigen Erdreich neben dem hartgetrockneten Weg im leichten Galopp dahinlaufen. Längst hatte Vala begriffen, dass er dem Statthalter mehr durch Zuhören half als durch Ratschläge oder Bedenken. Varus galt bei einigen Stabsangehörigen als argwöhnisch und überheblich. Das Land zwischen Rhenus und Albis war erst nach jahrzehntelangem Ringen erobert und immer wieder von blutigen Unruhen und Aufständen erschüttert worden. Die tüchtigsten Heerführer hatten hier Dienst getan, darunter auch Tiberius
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