Varus - Historischer Roman
winkte. Die Offiziere folgten dem Legaten hinaus auf den Gang, wo dieser so unvermittelt stehen blieb, dass Caelius beinahe gegen ihn geprallt wäre.
»In den Reihen des Stabes wird die Soldkasse befördert werden, daher die festgelegte Aufteilung anstelle des Losentscheids«, sagte Vala. »Wir erwarten keine Kampfhandlungen, aber angesichts früherer Erfahrungen mit den Eigenarten der Barbaren rechnen wir mit Angriffen von der Flanke, sobald wir die Gebiete erreichen, in denen Aufstände drohen.«
»Was ist mit den bei diesen Stämmen postierten Einheiten?«, fragte Caelius.
»Diese zusammenzuscharen und, wenn nötig, in den Rücken des Gegners zu schicken, ist Aufgabe der treuesten Hilfstruppen«, erwiderte Vala und blickte einem nach dem anderen in die Augen. »Der Marsch wird eure letzte große Aufgabe als Primipilen sein. Ihr beide«, er deutete auf Caelius und seinen Kollegen von der Siebzehnten, Quintus Sertorius, »werdet in den wohlverdienten Ruhestand gehen, und ich wünsche euch einen ehrenvollen Abgang. Den Göttern sei Dank, dass das Los diesmal eine Reihenfolge verlangt, die unseren Erwägungen genau entsprach. Der Schutz des Stabes hat allerhöchsten Vorrang, denn Varus ist nun einmal anstelle des Augustus hier.«
»Und wir haben die Soldkasse dabei«, fügte Sertorius grinsend hinzu.
Thiudgif genoss die Wärme der Sonne auf ihrer Haut und blinzelte in das Licht, das durch das Laub funkelte. Die neuen
Kleider fühlten sich gut an, frisch und sauber. Es war das dritte Mal, dass sie für den Mann, den sie ihren Herrn nennen musste, gewaschen hatte, und heute hatte er sie zum Markt begleitet, um ihr dort ein paar Sachen zu kaufen, damit sie die inzwischen schmuddeligen Kittel und Röcke wechseln und reinigen konnte.
Nachdem sie die tropfnassen Laken und Kleidungsstücke zwischen den Bäumen am Ufer aufgehängt hatte, war sie ein Stück flussaufwärts gegangen, um an einer versteckten Stelle zu baden. Schließlich war sie wieder aus dem Wasser geklettert, hatte ein Leintuch um den Leib geschlungen und sich abgetrocknet, während sie voller Vorfreude darauf, in die neuen Kleider zu schlüpfen, eine alte Weise summte. Von Nase und Kinn tropfte es, das Haar rutschte ihr in dunklen Strähnen über den neuen Kittel, und der Vogelsang klang noch dumpf in ihren Ohren. In wenigen Tagen würden sie aufbrechen.
Sie verdrängte den Gedanken. Sie wollte nach Hause, zurück zu ihrem Vater. Ihn bitten, sie nicht wieder zu irgendwelchen Verwandten zu schicken. Lieber sollte er ihr endlich einen Mann suchen.
Holz knackte. Sie hielt inne. Das Vorjahreslaub raschelte, unterlegt von schweren Schritten. Und Stimmen. Männerstimmen. Hastig raffte sie ihre Sachen zusammen, während sie sich im gleichmäßigen Tritt näherten, einer schien zu taumeln und zu stolpern. Thiudgif spürte, dass ihr Nackenhaar sich sträubte. Männern zu begegnen an einem Ort wie diesem, das bedeutete Gefahr. Auf den belebten Straßen und in den Gassen des Lagerdorfes konnte sie einen Kerl abschütteln, wenn sie laut rief, sie gehöre dem Titus Annius, doch hier an der Grenze zur Wildnis waren keine Zeugen, die sie schützten. Sie huschte durch das Unterholz zum Ufer, wo
der Weg zwischen Röhricht und Brombeergestrüpp endete. Um zu entkommen, hätte sie ins Wasser springen müssen.
»Das reicht!«, sagte einer der Männer.
Kalter Schweiß drang Thiudgif aus allen Poren, als sie seine Mundart erkannte. Ein Cherusker, einer aus den Hilfstruppen. Die anderen sicher auch. Sie kauerte sich nieder, krümmte sich zusammen, damit der helle Stoff des neuen Rockes sie nicht verriete, und lauschte angestrengt.
Die Männer waren stehen geblieben und sprachen leise miteinander, so leise, dass Thiudgif fürchtete, sie müssten ihren Atem hören, der stoßweise über ihre Lippen flog und ihr lauter erschien als das sachte Rauschen des Windes im Laub und das Gurgeln des Wassers. Einer stand vor den übrigen und verdeckte sie teils, indem er gebieterisch die Fäuste in die Seiten stemmte. Als er die Rechte hob, duckte sie sich unwillkürlich und barg das Gesicht in den Händen.
Ein dumpfer Stoß, ein Stöhnen, krachend und raschelnd brach etwas Schweres durch das Unterholz. Thiudgif erstickte den Aufschrei mit der Hand, da gebot eine junge Stimme halbherzig Einhalt.
»Er ist ein Verräter, und du weißt, was das bedeutet!«, rief der Mann, der als Erster gesprochen hatte. »Er hat heimlich mit dem Wiesel gesprochen.«
»Ich glaube nicht, dass das
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