Varus - Historischer Roman
Segestes, erinnerte er sich, gehörte in der Tat zu den Edlen unter den Cheruskern und war mit dem Tribun Arminius verwandt oder verschwägert, genau wusste Ceionius das nicht.
»Wahrscheinlich kennst du mich nicht«, fuhr Segestes fort. »Meine Männer sind nur vorübergehend hier untergebracht.«
»Was führt dich zu mir?«
»Du hast heute Abend eine Besprechung mit dem Statthalter Varus.«
Der Barbar trat näher. In seinem hellbraunen Haar schimmerten silberne Strähnen, und die steilen Falten auf seiner Stirn verrieten finstere Entschlossenheit. Geistesgegenwärtig tastete Ceionius nach dem Dolch in seinem Gürtel. Er war kein junger Narr, der sich von einem Angreifer übertölpeln ließ, und dieser Iulius Segestes war ihm nicht geheuer.
»Ich bitte dich, mich dorthin mitzunehmen, Praefect Ceionius. Ich muss den Statthalter Varus sprechen.«
Der Barbar verschränkte die Arme vor der Brust und blickte spürbar auf Ceionius herab, den dieser Trotz erboste.
»In welcher Angelegenheit?«, fragte der Centurio schroff.
»Ich muss ihn sprechen, mehr kann ich dir nicht preisgeben.«
»Geht es um die ausstehenden Sonderzahlungen? Für die ist der Statthalter nicht zuständig, da musst du dich an die Tribune oder den Quaestor wenden.«
Ceionius war nur einem unvermittelt aufglänzenden Gedanken gefolgt, doch der Barbar erwiderte das mit einem verächtlichen Zucken der Mundwinkel.
»Oder wartest du auf eine versprochene Beförderung?«
Wieder kräuselten sich Segestes’ Lippen, ohne dass seine harte Miene sich aufhellte.
»Der Statthalter wird übermorgen noch einen Gerichtstag abhalten. Dort wirst du Gelegenheit haben, ihn anzusprechen«, murrte Ceionius und wandte sich ab.
»Das ist zu spät, Praefect!«
Verwundert über die Dringlichkeit in der Stimme des Mannes wurde Ceionius hellhörig und drehte den Kopf ein wenig. »Wenn du mir den Grund nennst, werde ich sehen, was ich tun kann.«
Ein schweres Atmen war die Antwort. Als Ceionius sich nochmals umschaute, stand der Barbar mit hängenden Armen mitten im Raum und starrte zu Boden.
»Warum lässt du nicht Arminius für dich sprechen?«
Segestes zuckte die Achseln und gab ein ersticktes kurzes Lachen von sich, dann schüttelte er den Kopf.
»Das wäre die einfachste Lösung, Segestes, denn ich bezweifle, dass dir vor dem Abmarsch noch eine Zusammenkunft gewährt werden kann.«
»Wenn ich Varus heute nicht spreche, ist es zu spät.«
Er verharrte auf der Stelle, als erwartete er eine Antwort, und sein Blick war so eindringlich, dass Ceionius mulmig zumute wurde.
»Kurz vor Beginn der zehnten Stunde werde ich im Stabsgebäude erwartet«, sagte er. »Versprechen kann ich allerdings nichts.«
Als Ceionius in sein Quartier zurückkehrte, kam ihm sein Kollege Lucius Eggius entgegen. Rasch nickte Ceionius ihm zu und beeilte sich weiterzugehen, doch Eggius vertrat ihm den Weg.
»Wir müssen uns absprechen über die Aufteilung des Trosses.«
»Du meinst, über die Frage, wer die Weiber und Bälger übernimmt?«, entgegnete Ceionius. Das Grinsen geriet ihm breiter, als er wollte, weil ihm wieder einmal der Gedanke kam, dass in Eggius’ säuerlicher Gegenwart Milch und Wein sofort verderben mussten.
»Wir werden die Sache vorbringen«, sagte Eggius, als hätte er Ceionius’ Spott nicht bemerkt. »Es kann nicht angehen, dass der Heereszug auf dem Marsch durch einen völlig überlasteten Tross auseinandergezogen wird.«
Anstelle einer Antwort zog Ceionius eine Braue hoch und beobachtete insgeheim erheitert, dass Eggius unruhig mit dem Fuß scharrte.
»Es wäre sinnvoll, einen Teil der Ausrüstung und Leute mit kleinen Truppen zur Lupia zu begleiten und dort zu verschiffen.« Eggius senkte die Stimme am Ende nicht, als erwarte er eine Antwort auf den Vorschlag.
Ceionius kratzte sich am Kopf. »Varus will die Truppen in jedem Fall zusammenhalten - zumindest die Legionen. Die Hilfstruppen, die nördlich der Lupia verteilt wurden, sollen
ja ebenfalls in Bewegung gesetzt werden. Dazu wird er einen oder zwei Praefecten abstellen.«
»Ich habe die Absicht, ihm vorzuschlagen, Iulius Arminius mit dieser Aufgabe zu betrauen. Es ist zwar nicht sonderlich ehrenhaft, aber er ist nun einmal der zuverlässigste Mann.«
»Der zuverlässigste, wenn es darum geht, einen Schlupfwinkel auszuräuchern oder einen Trupp Aufrührer zu stellen. Er ist kein Kindermädchen!«
»Er ist der Richtige, gerade weil er wehrhaft ist!«, versetzte Eggius. »Die Lupia streift die
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