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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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ergriffen und war losgerannt.
    Das Laufen tat ihm gut. Die kühle Abendluft füllte seine Lungen und zerstob die Sorge, er könnte einem schlechten Scherz aufsitzen. Im Quartier herrschte Dunkelheit; Sabinus war noch nicht zurückgekehrt. Annius leerte die beiden Schläuche in den Wassereimer, doch beim Hinausgehen zögerte er, weil ihm sein Versprechen wieder einfiel. An diesem Abend war es seine Aufgabe, für Ordnung zu sorgen.
    Hastig leerte Annius seinen Napf, säuberte ihn samt dem Löffel, legte das angebrochene Fladenbrot auf die Schüssel mit dem Würzkäse, fegte rasch unterm Tisch die Krümel weg und nahm die Schüssel und zwei Krüge mit in den Vorraum,
wo er den Weinschlauch aus einer bereits gepackten Kiste hervorzog.

    Die Laterne flackerte leise. Fröstelnd hüllte Caldus sich in den Mantel, den er neben sich auf die Bank gelegt hatte. Welch eine dumme Idee! Hier saß er und wartete auf einen Gefreiten, einen einfachen Schreiber, um sich mit diesem an dessen Weinvorräten zu betrinken. Aber was konnte er Besseres tun nach einem so verdorbenen Tag? Vala hatte ihn schon vom Morgengrauen an mit lächerlichen Botendiensten beschäftigt - wie einen kleinen Gefreiten. Die Vorbereitung des Trosses hatte er beaufsichtigen und einen vollständigen Bericht vortragen müssen, wobei Vala deutlich zu erkennen gegeben hatte, dass er nicht zuhörte, um ihm danach eine Standpauke über soldatische Disziplin zu halten, die ihn vor den übrigen Anwesenden zum Narren gemacht hatte.
    Jemand näherte sich im gehemmten Schritt; aufblickend erkannte Caldus den Gefreiten, Titus Annius, dem eine ausgebeulte Ledertasche von der Schulter hing. Als der Mann die Bank erreicht hatte, stellte er die Tasche darauf ab, entnahm ihr behutsam einen prall gefüllten, glucksenden Schlauch, dessen Verschluss dick umwickelt war, und einen zweiten, leeren, mit dem er zum Brunnen ging. Aufmerksam beobachtete Caldus, wie Annius das Wasser in einen Krug filterte, den Vorgang mit einem zweiten Krug wiederholte und noch einmal, nachdem er das Wasser geprüft hatte. Erst dann zog er eine zufriedene Miene und öffnete behutsam den Weinschlauch mit einem kleinen Messer. In Caldus’ Vaterhaus verrichteten Sklaven diese Dienste in dafür vorgesehenen Räumen, für ihre Herren unsichtbar, und er konnte sich nicht daran erinnern, sie als Offizier je
zu Gesicht bekommen zu haben. Der Gefreite benutzte den leeren Krug nun als Mischgefäß, füllte abwechselnd Wasser und Wein ein und schwenkte das Gefäß langsam im Kreise, während sich ein betörender Duft verbreitete. Dann stellte er den Krug auf der Bank ab.
    »Das ist ein guter Wein aus den Hügeln bei Tarraco«, erklärte Annius. »Wir sollten ihn kurz stehen lassen, damit sich die Mischung beruhigt.«
    »Glaubst du wirklich, dass das für mich eine Rolle spielt?«, entgegnete Caldus, was ihm im selben Augenblick bereits leidtat, doch das Lächeln des Gefreiten beruhigte ihn.
    »Wie du möchtest, Gaius Caelius.«
    Annius schenkte ihm ein, dann füllte er seinen eigenen Becher, den er ebenfalls mitgebracht hatte, schlichte irdene Ware. Sie tranken einander zu, und Caldus genoss die feine Süße, die schwere Frucht, gemildert vom Wasser. Anerkennend nickte er. Dieser Wein hellte seine Trübsal tatsächlich auf.
    »Wie bist du Gefreiter geworden, Titus Annius?«
    »Durch eine Verletzung.« Annius tätschelte sein rechtes Knie, an dem sich ein Schatten entlangzog. »Man musste mich zumindest zeitweilig anders einsetzen.«
    »Du hast zur kämpfenden Truppe gehört?«
    Der Gefreite nickte und nippte an seinem Wein.
    »Sag mir, Titus Annius …« Ein Gedanke huschte durch Caldus’ Kopf. »Hast du irgendwelche Bedenken wegen des kommenden Marsches? Ein schlechtes Vorgefühl? Eine dumpfe Ahnung?«
    Aufmerksam beobachtete Caldus die Miene des Gefreiten im matten Licht der Laterne, las Verwunderung daraus, aber nichts weiter.
    »Warum fragst du?«

    »Weil ich solch eine dumpfe Ahnung habe, die mich beunruhigt. Aber ich weiß nicht, was es ist. Nur dass es etwas mit den Hilfstruppen zu tun hat.«
    »Was meinst du damit?«
    »Wie soll ich es sagen … Sie sind mir zu ruhig, zu diszipliniert … Es passt nicht zu den Barbaren.«
    Der Gefreite lächelte, trank einen Schluck, was Caldus ihm nachtat. »In der Pannonia waren sie ebenso diszipliniert. Ich sehe da keinen Unterschied.«
    »Wahrscheinlich bilde ich mir das nur ein«, murmelte Caldus. Wieder kam er sich närrisch vor, diesmal vor einem Gefreiten, einem

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