Varus - Historischer Roman
Vertrauen.«
Anerkennend die Lippen schürzend drehte Annius sich wieder um. Ein hübsches Stück, soweit er das beurteilen konnte. Sicherlich wertvoller als ein junges Mädchen, bemerkte er schief grinsend, und obendrein eines, das einem keine Sorgen bereitete. Leise ging er ein Stück zurück und trat auf den Hof hinaus, um unbemerkt den Weg zu seinem Ziel fortzusetzen.
Als Annius mit den Tafeln und Heften, die ihm vom zuständigen Obergefreiten ausgehändigt worden waren, in sein Quartier zurückkehrte, fegte Sabinus gerade den Wohnraum. Im Herd knisterte die Glut unter einem Dreifuß mit einem dampfenden Topf, der Tisch war schon gedeckt. Annius roch die Mischung aus Speck, Zwiebeln und gequollenem Getreide. Knoblauchduft lockte ihn zum Tisch, auf dem eine Schale voll zerriebenem, mit Kräutern und Gewürzen vermischtem Käse stand. Vielleicht sollte er ihm als Zeichen der Dankbarkeit seinen Dolch überreichen, wie es Tribun Arminius beim Statthalter getan hatte. Doch als er den Schatten auf Sabinus’ Stirn bemerkte, verschluckte er den Scherz, der ihm auf der Zunge lag.
»Wo hast du dich herumgetrieben?«, blaffte Sabinus. »Wir hatten eine Abmachung.«
»Es tut mir leid, dass ich länger ausgeblieben bin.«
»Dass du die Bude nicht gerne aufräumst, weiß ich ja inzwischen, aber dass du mich nachmittags mit den Abrechnungen alleine gelassen hast, das nehme ich dir übel!«
Ein drohend ausgestreckter Zeigefinger stieß in Annius’ Richtung, dass er beschwichtigend die Hände hob. »Es tut mir leid. Ich übernehme die nächsten Tage das Kochen und Abwaschen, einverstanden?«
»Lieber nicht«, knurrte Sabinus. »Was du zusammenpanschst, ist ungenießbar, und außerdem musst du ja abends dein Täubchen besuchen.«
Schweigend blickte Annius seinen Stubengenossen an und hoffte, dass Sabinus’ Unmut sich legte.
»Man fragt sich halt, was du jeden Tag bei ihr treibst, wenn du nie etwas erzählst«, fuhr dieser unwirsch fort. »Du wirst ihr ja wohl kaum beim Wäschewaschen zusehen. Entweder willst du uns nicht neidisch machen, oder das Mädchen ist der Reinfall deines Lebens.«
»Benimm dich nicht wie ein eifersüchtiges Weib!«, platzte Annius heraus.
Sabinus drehte sich wortlos um und stapfte hinaus. Während er noch im Vorraum polternd die Sandalen vom Bord fallen ließ, klappte die Tür zu, und Annius war mit dem Abendessen allein. Die Welle bitterer Galle, die in ihm aufgestiegen war, verebbte. Unschlüssig sank er auf seinen Schemel, legte die Unterarme rechts und links seines Napfes auf den Tisch und senkte den Kopf.
Ein feines Zischen warnte ihn. Der Geruch angebrannten Getreides streifte seine Nase. Rasch erhob er sich, eilte zum Herd und griff nach dem bereitliegenden Holzlöffel, um den Getreidebrei umzurühren, der schon dicke Blasen warf. Am Boden des Topfes klebte spürbar eine feste Masse. Annius
seufzte, legte ein Leintuch um den Rand des Topfes und trug ihn zum Tisch. Sabinus war sicherlich ebenso hungrig wie er selbst, dem beim Duft von Grütze, Zwiebeln und gewürztem Käse schon fast schmerzhaft das Wasser im Mund zusammenlief.
Anstatt sich den Teller zu füllen, wartete Annius, warf immer wieder einen Blick zur Tür, lauschte auf Geräusche im Vorraum. In den letzten Tagen hatte er sich Sabinus gegenüber tatsächlich unzuverlässig verhalten, eigentlich seitdem das Mädchen in seinen Besitz gelangt war.
Er hatte noch nie selbst einen Sklaven gehabt, obwohl in seinem Elternhaus die meisten Bediensteten nie in den Genuss einer Freilassung gekommen waren. Sklaven kümmerten sich um das Geschäft des Vaters, versorgten den Haushalt der Mutter, nährten und erzogen die Kinder. Die Eltern ihrerseits trugen von jeher Sorge um das Wohl ihrer Sklaven, denn sie waren auf diese angewiesen. Ohne darüber nachzudenken, war er mit dem Mädchen genauso verfahren und fand sich nun in einer wenig angenehmen Lage. Denn allen Verpflichtungen zu entsprechen, dazu fehlte ihm schlicht die Zeit.
Sabinus war zu Recht verärgert.
Annius schaufelte zwei Löffel Grütze in seinen Napf, brach ein Stück vom bereitliegenden Brot ab, tauchte es in die Käsemasse und biss davon ab. Sabinus machte ein vorzügliches Moretum. Er achtete darauf, frischen Ziegenkäse zu ergattern, sammelte und schnitt die Kräuter selbst, und sooft er Knoblauch kaufte, rollten die Händler die Augen, wenn er sich ihrem Stand nur näherte, so streng wählte er aus.
Während sein Blick ziellos durch die Stube streifte,
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