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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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Tragestock, an dem Annius’ nötigstes Gepäck hing. »Kannst du reiten?«, fragte er schroff.
    »Nicht gut«, erwiderte Annius, so leise, dass er nicht sicher war, ob der Tribun seine Worte gehört hatte. »Offen gestanden, ich bin ein jämmerlicher Reiter«, fügte er lauter hinzu und übergab seine Sachen Sabinus, der ihm zum Abschied einen aufmunternden Rippenstoß verpasste.
    »Dann wirst du es jetzt lernen«, fuhr Caldus ihn an. »Rauf mit dir!«
    Langsam hob Annius den linken Fuß, stellte ihn in die bereitwillig verschränkten Hände des Soldaten, der die Zügel des Tieres hielt, machte zwei halbherzige Hüpfer, bevor er sich vom Boden abstieß. Der Mann half mit Schwung nach, sodass er beinahe auf der anderen Seite wieder hinuntergerutscht wäre. Aber niemand lachte, als Annius sich mühsam im Sattel des tänzelnden Pferdes zurechtrückte. Im selben Augenblick ertönte ein gellender Pfiff, und die Tiere setzten sich in Bewegung, sprangen in einen schnellen Galopp.
    Annius’ Herz pochte wild, seine Schenkel umklammerten den Leib des Tieres, und er hielt sich nicht nur an Zügeln und Mähnenhaar fest, sondern auch an den vorderen beiden der vier Sattelhörnchen, die sich eng um seine Beine schlossen und ihn überraschend gut sicherten. Er blieb hinter Caldus, neben den beiden anderen Reitern, die unverwandt nach vorn starrten. Obwohl er es gewohnt war, keine Fragen zu stellen, verstärkte sich das mulmige Gefühl, das
auch der kalte Regen, der ihm ins Gesicht klatschte und vom Wind unter die Wangenklappen des Helms gedrückt wurde, nicht abwaschen konnte.
    Plötzlich riss der Tribun den Arm hoch, wendete sein Pferd in Richtung des Waldes und zügelte es, dann winkte er Annius zu sich.
    »Beneficarius Titus Annius«, begann Caldus, »du wirst mich zu deiner Sklavin begleiten, und wir werden das Mädchen wegen des Mordes, den sie beobachtet hat, befragen.«
    Annius erschrak. »Du hast sie verraten!«
    »Das habe ich nicht! Wir werden sie befragen, wir beide - niemand sonst. Aber ich muss erfahren, was sie gesehen und gehört hat. Ob sie jemanden erkannt hat.«
    »Wie sollte sie jemanden erkannt haben? Sie hätte mir doch gesagt -«
    »Die Siebzehnte, die am Schluss geht, wird von aufständischen Barbaren angegriffen, die Neunzehnte steht in Teilen unter Beschuss von Bogenschützen. Es gibt keine Verbindung mehr zu den Cohorten der Nachhut. Wir haben nicht die leiseste Ahnung, was da hinten vor sich geht.«
    Kalt sickerte Wasser in Annius’ Schal, rieselte ihm den Rücken hinab.
    »Es wird ihr nichts geschehen, wenn ich es irgendwie vermeiden kann, das verspreche ich dir«, fuhr Caldus fort. »Aber ich muss wissen, was damals vorgefallen ist!«
    »Schwöre mir, dass du sie nicht an eure Leute ausliefern wirst, Gaius Caelius! Bei deinem Leben! Beim Leben deines Vaters und allem, was dir heilig ist!«
    »Bist du verrückt, Gefreiter?«, entgegnete der Tribun. »Willst du Bedingungen stellen, weil dir ein Mädchen wichtiger ist als die Zahl der Opfer bei der Niederschlagung eines Aufstandes?«

    »Darum geht es nicht! Sie wird dir sagen, was sie weiß, davon bin ich überzeugt. Aber ich will nicht, dass ihr sie foltert oder ihr auch nur damit droht.«
    »Und wie soll ich …«
    Caldus verstummte und ließ die Arme sinken, die er im Eifer erhoben hatte. Er schien nachzudenken.
    »Gut, ich habe verstanden«, sagte er schließlich. »Ich werde sie in deiner Gegenwart befragen.« Warnend funkelte er Annius unter dem Helm an. »Aber du wirst dich nicht einmischen.«
     
    Der Tross geriet ins Stocken, einige Wagen mit schwerem Gerät waren im Schlamm stecken geblieben. Die Knechte legten sich gewaltig ins Zeug, schlugen die vorgespannten Mulis und schoben von hinten mit aller Kraft an. Boten galoppierten vorüber, einem befahl Caldus zu halten und erhielt einen atemlosen Bericht über ungeordneten Vormarsch unter schwerem Beschuss. Es gab Gefallene zu beklagen, aber vor allem verursachte die hohe Anzahl an Verwundeten Sorgen.
    Annius hoffte, dass Caldus das Gespräch bald beenden würde; er wollte nichts hören von Kämpfen und drohenden Angriffen. Die Trossknechte hatten ihnen zugerufen, dass sie von Beschuss nichts wüssten. Aber ein kleiner Junge werde vermisst, den sie weggeschickt hätten, Äste zu beschaffen, weil er ihnen lästig gewesen sei. Betretenes Schweigen breitete sich aus, und die Männer sahen zu Boden.
    Caldus drängte zum Weiterritt. Sie mussten vorbei an den Wagen und Lasttieren mit schwerem Gerät

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