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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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nannte der eine sie und sagte, es wäre doch schade um sie.
    Zwei Sklavinnen waren verschwunden.
    Sie schlug die Augen auf, starrte ins Dunkel. Irgendwo zwischen den Wagen, Lasttieren und Zelten schwärmten die Idisen umher, zornig, keine Opfer erhalten zu haben von den Sterblichen, die über ihre Wiesen trampelten, Pferde, Mulis und Vieh mit ihrem Gras nährten. Die Geister schickten Angst und böse Träume, verscheuchten erholsamen Schlaf. Einzelne Tropfen klatschten auf die Plane, rasch wurden es mehr, bis es ringsum sanft und beharrlich herniederrauschte. Thiudgif blieb regungslos liegen. Sie sollte Amra wecken, denn auch wenn sie sicher waren, alles gut verpackt zu haben, wäre es besser, nochmals Kisten und Taschen, Beutel und Planen zu überprüfen, bevor etwas durch die Nässe verdarb. Sie spürte, wie etwas warm über ihre Schläfe rann, ein feiner Schmerz im wunden Augenwinkel. Sie durfte nicht weinen, nicht verzagen.
    Abrupt setzte sie sich auf, tastete über Sura hinweg nach Amras Schulter, um sie leicht anzustupsen. Einmal, zweimal. Bis Amra sich bewegte, unwirsch stöhnte. Sura gab ein schlaftrunkenes Wimmern von sich.
    »Es regnet«, flüsterte Thiudgif.
    »Das höre ich«, erwiderte Amra. »Weißt du, wie lange die Nacht noch dauern wird?«

    »Die letzte Nachtwache hat begonnen.«
    Amra seufzte. »Ich weiß, dass ich dir gesagt habe, dass du mich wecken sollst, Mädchen, aber lass uns noch etwas ruhen. Wir brauchen unsere Kräfte für den Weg. Schlaf weiter!«
    Ein Rascheln verriet, dass Amra sich wieder an ihrem Platz eingerollt hatte. Thiudgif blieb sitzen, schmiegte den Kopf auf die Knie und blickte in die Finsternis. Die Kühle des Regens tat ihr gut. Nach einer Weile rutschte sie leise zur rückwärtigen Wand des Wagens, schob die schützende Plane ein wenig zur Seite und streckte den Kopf hinaus. Tropfen fielen ihr auf Stirn und Wangen, glitten wie Salbe über die wunden Augen. Thiudgif blinzelte, erkannte die anderen Wagen als dunkle Schemen vor dem grauen Vorhang des Regens. Sie hörte einen fernen Fluch, sah Menschen umherhuschen, lauschte ihrem Schimpfen und lächelte.

    Die vorübermarschierenden Legionäre hatten aufgehört zu singen. Anscheinend verging auch ihnen allmählich der Geschmack an Regen. Unablässig strömte das Wasser aus den dunklen Wolken, die den Himmel verdeckten, füllte die Bäche und kleinen Flüsse an ihrem Weg und stand auf den Wiesen und Äckern, weil die Erde so viel Nass nicht trinken konnte. Jetzt war nur noch das eintönige Klatschen der Schritte zu hören.
    Sextus Ceionius wischte mit dem Handrücken die Tropfen von Augenbrauen und Wimpern, ein Gemisch aus Schweiß und Regen, das seine Sicht behinderte. Der Mantel war inzwischen durchtränkt und hing bleiern von seinen Schultern. Weil sein Pferd Mühe hatte, auf den glitschigen Bohlen, die den Weg befestigten, nicht auszugleiten, hatte er es beiseitegelenkt.
Er hätte an diesem Morgen den massigen Braunen nehmen sollen, nicht dieses zierliche Tier, dessen Ohren unruhig zuckten. Beruhigend tätschelte er den Hals des jungen Hengstes, winkte dann seinen Begleiter zu sich.
    »Ich mache mich auf den Weg zum Tross«, rief er. »Ich brauche ein anderes Pferd.«
    Als der Mann nickte, trieb Ceionius den Hengst mit einem Schnalzen an. Sie kamen zu langsam voran an diesem Tag, sie schleppten sich durch den Schlamm. Dabei hatten die Vorzeichen am Morgen ein Aufklaren verheißen. Aber auf den Vogelflug war eben nicht immer Verlass, und die Auguren hielten sich mit ihren gewundenen Floskeln stets ein Hintertürchen offen. Die Fabri hatte den heutigen Lagerplatz sicher schon erreicht, steckten die Wege und Zeltreihen ab und erneuerten Gräben und Wälle wie jeden Tag. Doch die ersten Einheiten würden dieses Lager erst zur Dämmerung erreichen, die letzten nach Einbruch der Dunkelheit.
    Ceionius schnaubte verärgert und ließ sein Pferd in einen verhaltenen Galopp fallen, der angenehmer war als ein zuckelnder Trab. Er hasste das Durcheinander, das solch schlechtes Wetter verursachte.
    Schreie alarmierten ihn, klatschender, schneller Hufschlag und die schrillen Signale eines Horns. Aufblickend erkannte er, dass ihm Reiter entgegenkamen, der vorderste ruderte wild mit den Armen und schrie gellend, aber unverständlich. Sie erkannten ihn nicht, befahlen ihm, den Weg freizumachen.
    Da musste etwas passiert sein.
    Ceionius riss gebieterisch die Hand hoch, und diese unmissverständliche Bewegung brachte die Reiter dazu

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