Varus - Historischer Roman
blinzelte, bog die Mundwinkel ein wenig nach oben.
»Geht es dir gut?«
Das Lächeln erlosch, stattdessen rollte sie die Augen gen Himmel. Dennoch fand seine Hand ihre, und zu seiner Überraschung flochten sich ihre Finger um seine.
»Herr …?«
»Nenne mich nicht Herr«, sagte er. »Du weißt, dass Sklaven ihre Herren beim Vornamen rufen.«
Sie senkte den Kopf, löste ihre Finger aus seiner Hand und krampfte sie in den Stoff ihres Rockes, dessen Saum schlammverkrustet war. Schmutzige Zehen lugten unter dem karierten Tuch hervor.
»Zeig mir deinen Fuß. Ich will mir das ansehen. Glaub mir,
Legionäre bringen lange und schlimme Märsche hinter sich. Wir verstehen einiges von solchen Beschwerden.«
Zögernd schob sie einen Fuß unter dem Rock heraus; der Knöchel erschien ihm ein wenig geschwollen, was aber auch vom Gehen herrühren konnte.
»Sagst du mir dann, was geschehen ist … Titus?«
Rasch drehte er sich um, spähte nach Caldus, der mit den beiden anderen Männern bei den Pferden stand und aus einem Becher trank. Sie schienen keine Eile zu haben. Der Tross hing fest, nichts tat sich. Die Wagenplanen flatterten und blähten sich in den Böen. Amra schwatzte mit anderen Frauen, die auf ein Weiterkommen warteten. Niemand schien zu ahnen, dass die Legionen hinter ihnen angegriffen worden waren. Doch sie würden es erfahren. Bald. Das Gerücht würde sich auf den Flügeln des Windes verbreiten und dabei immer grellere Farben und schrecklichere Züge annehmen. In welcher Gestalt würde Fama sein Mädchen erreichen?
Er sah sie an, seine Augen hatten zunächst Mühe mit dem Dämmerlicht des Wageninneren. Behutsam schloss er beide Hände um den sichtlich angeschwollenen Knöchel. Als er ihn abtastete, zuckte sie zusammen und zog pfeifend den Atem ein. Zu seiner Erleichterung konnte er keine Verfärbung entdecken, die Schwellung war auch nicht groß, aber die Wunden an ihren Füßen, manche verschorft und verkrustet, machten ihm Sorgen.
»Ich habe Hirschtalg in meinem Gepäck«, sagte er. »Aber das befindet sich auf Sabinus’ Maultier, weiter vorn im Tross. Ich lasse dir davon schicken. Reib damit die Füße gut ein! Immer wieder. Ich werde Amra sagen, dass du dich heute schonen musst, sonst wird es nur schlimmer.«
Als sie nickte, schob er die Hände tastend ihre Wade hinauf,
spürte, wie sie erstarrte und die Luft anhielt, und machte einen schnellen Schritt rückwärts. Sie war tief errötet, schlang die Arme um die Knie und schmiegte sich zwischen die Gepäcksäcke im Wagen. Er spürte seine Wangen und Ohren heiß werden, warf einen raschen Blick zu Caldus, der mit den anderen inzwischen zu Pferd saß und ihn ungeduldig zu sich winkte.
»Tut … mir leid«, stammelte er. »Ich muss gehen. Pass auf dich auf!«
»Aber du hast versprochen, mir zu sagen, was geschehen ist!«, rief sie.
»Später. Heute Abend.« Hastig ging er zu Amra, erklärte ihr, was zu tun sei, bevor er zu den anderen zurückkehrte, und rieb sich die Wangen, während er den Göttern dankte, dass dank des Helms sicherlich niemand seine Verlegenheit bemerkt hatte. Narr!, schalt er sich. Sie war eine Sklavin! Seine Sklavin! Er konnte sie anfassen, sooft er wollte. Entschlossen griff er nach den Sattelhörnchen und sprang auf das Pferd.
Die Trossknechte hatten mit vereinten Kräften die festgefahrenen Wagen wieder flottgemacht; nun rollten die Räder weiter und auch die Angehörigen kamen wieder langsam voran. Der letzte Bote, den Caldus angehalten hatte, hatte von einem Nachlassen der Kämpfe berichtet; die meisten Angreifer hätten sich in die Wälder zurückgezogen.
Caldus war mit seinen Begleitern weitergeritten zu den hinteren Teilen des Heereszuges. Er ahnte die Unruhe der Reiter, die ihm folgten, schließlich führte er sie ins Ungewisse. Insbesondere Annius, den er einfach aus der marschierenden Truppe herausgeholt hatte, um dessen Sklavin
zu befragen, merkte man das mulmige Gefühl deutlich an. Stirnrunzelnd saß er auf dem Pferd, die Beine umklammerten den Leib des Tieres, die Hände Zügel und Mähne.
Sie hatten die Lücke zwischen dem Tross der Achtzehnten und der Neunzehnten Legion erreicht, aber durch den dunstigen Regenschleier waren weder Menschen noch Feldzeichen auszumachen. Caldus ließ sein Pferd langsamer werden und bemerkte, dass Annius zu ihm aufschloss.
»Was suchst du hier?«, fragte der Gefreite.
»Gewissheit«, erwiderte Caldus. »Keine Bange, ich habe nicht die Absicht, mich ins Kampfgetümmel zu
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