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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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schienen. Sein Herz pochte spürbar, und ihm war, als wärmte es von innen her seine klammen Kleider. Behutsam legte er eine Hand auf ihre Schulter. Sie schob eine Haarsträhne hinter ihr Ohr und hielt die Laterne vor sich, als könnte sie sich damit schützen.
    »Ich bin müde, Herr.«
    Die Anrede traf ihn wie eine Ohrfeige. Schnell zog er die Hand zurück. »Geh schlafen!«, erwiderte er rau. »Du musst stark sein morgen. Ich bringe dich zu eurem Wagen.«
    »Das hier«, sie klopfte lautlos auf die Plane des Fahrzeugs, neben dem sie stand, »ist Amras Wagen.« Sie zog sich einen Schritt zurück, sah ihn scheu an. »Ich habe viele tote Männer gesehen heute. Ich bete zu den Göttern, dass wir hierbleiben, bis die Angreifer weggehen.«

    Vala saß auf seiner Rappstute und zählte die zu beiden Seiten vorüberschwärmenden Reiter, den Flankenschutz, bestehend aus zwei gallischen Alen und der Legionsreiterei. Am Stirnschutz seines Helms sammelten sich zitternde Tropfen, die immer wieder herabfielen, und von den Wangenklappen sickerte es kalt in seinen Schal. Er war ein Stück vorausgeritten, hatte sich mit zwei Praetorianern vor den Trupp Stabsoffiziere gesetzt, die Varus heute hoch zu Ross, umringt von seinen zwölf Lictoren, anführte. Das Alleinsein dämpfte seinen Groll, hielt seine Aufmerksamkeit wach. Fassungslos war er gewesen, als Varus ihm im Morgengrauen, noch vor dem Einholen der Auspicien, eröffnete, wie auch immer die Vögel flögen, er würde den Befehl zum Abmarsch geben. Als bald darauf die Auguren gemeldet hatten, die Götter verhie ßen einen Tag ohne besondere Zwischenfälle, drängten jedoch zur Eile, keimte in Vala bitterer Argwohn auf.

    Nie zuvor hatte Varus die Vogelschau beeinflusst. In diesen Dingen gehörte er zu den bodenständigen, am Alten festhaltenden Männern, was für einen fast sechzigjährigen Mann auch angemessen war. Er hatte Erleichterung in Varus’ Miene gesehen und wollte ihm die auch glauben. Trotzdem nagte eine dunkle Ahnung an ihm, die Auguren könnten ihre Deutung vorauseilendem Gehorsam unterworfen haben.
    Zu beiden Seiten verschwammen die bewaldeten Bergkuppen hinter einem Dunstschleier. Die Sonne hatte den Scheitel ihrer Bahn überschritten, und die Spitze des Heereszuges war nur noch wenige Meilen vom nächsten Marschlager entfernt, das zu diesem Zeitpunkt von den Pionieren schon vermessen und vorbereitet wurde. Ob die Cohorten der Nachhut aufgeschlossen hatten, wusste er nicht, da er seit geraumer Zeit Abstand von den anderen hohen Offizieren gesucht hatte.
    Schneller Hufschlag näherte sich, sodass er seine Rappstute wendete; zwei Reiter preschten heran.
    »Wir vermissen mehrere Turmen!«, rief einer der beiden. »Die Männer sind mit ihren Pferden spurlos verschwunden!«
    Eisiger Schrecken durchrieselte Vala. »Wann und wo?«
    »Seit Mittag. Zwei im Umfeld der Achtzehnten, eine bei der Neunzehnten.«
    »Habt ihr nach ihnen gesucht?«
    »Die Männer waren in kleinen Abteilungen unterwegs. Es wurden Spuren gefunden, die tiefer in die Wälder führten.«
    Vala wollte einen Fluch ausstoßen, doch etwas hielt ihn zurück, ein feines Sirren, als zittere die Luft wie eine losgelassene Bogensehne. Seine Blicke suchten die Quelle des Tons über den Hügeln zu beiden Seiten der Straße. Von deren Kamm schwang sich etwas wie ein Schwarm riesiger
Mücken gen Himmel, beschrieb einen Bogen und sank über dem Weg herab, wo sich die Spitze der Achtzehnten befinden musste. Die Stimme versagte Vala angesichts des Pfeilregens, dem sogleich ein zweiter von der anderen Seite folgte.
    »Unsterbliche Götter …«, flüsterte einer der beiden Praetorianer.
    Vala stieß der Stute die Sporen in die Seiten, dass sie einen Satz machte, doch der andere Praetorianer warf sich ihm in den Weg.
    »Du musst hierbleiben, Quintus Numonius! Du bist der Vorhut und dem Flankenschutz zugeteilt!«
    »Dem Flankenschutz! Und dann geschieht so etwas!«, schrie er.
    »Du kannst den Männern nur helfen, indem du die Reiter sammelst und einen Angriff auf den lauernden Feind befiehlst.«
    »Dann macht das!«, blaffte Vala. »Aber schleunigst!«
    Mehr musste er nicht sagen, die Reiter trennten sich, zwei sprengten in Richtung der angegriffenen Legionen davon, einer zur Vorhut, wo sich weitere Turmen befanden. In der Ferne tönten Hörner, stritten sich mit Bucinen und Tuben. Dann erhob sich ein dumpfes Brausen beiderseits über den Hängen, schwoll an, ein Wort klang heraus. Die Rappstute tänzelte unter Vala, der

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