Varus - Historischer Roman
Galliern aus. Einige murrten vernehmlich, aber sie rührten sich nicht von der Stelle, bis Vala das Schwert hob und mit der Klinge einen schnellen Kreis beschrieb. Wie eine Welle breitete sich die Wende von den hinteren Reihen aus und hatte die vordersten erreicht, noch ehe die Barbaren mit Kampfgebrüll wieder aus dem Wald hervorbrachen.
Als Vala aus seinem Stabszelt trat, erblickte er Caldus in Begleitung eines Mannes und eilte wie von einer Bogensehne geschnellt auf ihn zu.
»Wie konnte ich nur so blind sein!«, rief er.
Caldus starrte ihn an, er war kalkweiß und seine Züge wie versteinert. »Du hast also gehört, welche Namen die Aufständischen im Munde führen.«
»Ich kann es immer noch nicht fassen.«
»Wie nimmt der Statthalter es auf?«, fragte Caldus.
»Er lässt niemanden vor. Offenbar hat er den Boten zu sich bringen lassen, aber was er tut, weiß niemand. Rings um sein Zelt stehen Praetorianer und die Lictoren, um ihn abzuschirmen.«
»Er hat guten Grund nachzudenken. Wir sitzen in der Klemme. Wir haben es ins Lager geschafft, aber nur unter schweren Verlusten. Von der Neunzehnten kam die Nachricht, dass sie von Teilen unserer eigenen Nachhut angegriffen worden seien, seither habe ich nichts mehr gehört. Fest steht, dass wir umzingelt sind und einige Truppen durch Meuterei vollständig eingebüßt haben, während andere mehr oder weniger schwere Verluste hinnehmen mussten.«
»Den Tross der Achtzehnten haben sie überfallen und die Ausrüstung geplündert«, fuhr der andere Mann fort, in dem Vala einen der Gefreiten erkannte, die am vergangenen Abend Mitschriften angefertigt hatten. »Der größte Teil der Schanzpfähle und Zeltplanen ist durch Brand verloren, und etliche Wagen mit Geschützen wurden weggeschleppt.«
»Sich hier einzuigeln, wird äußerst schwierig werden. Der Wald rings um das Lager steht zu dicht, und wir können niemanden zum Roden hinausschicken, weil überall der Feind lauert.«
Vala atmete tief durch, bekämpfte den Groll, der in ihm wühlte. »Ob wir uns nun hier einigeln oder nicht, wir werden noch einige Verluste hinnehmen müssen, um entweder Vetera oder ein anderes Lager zu erreichen.«
»Wie hoch sind die Verluste bisher?«, fragte Caldus.
»Ich habe noch keine genauen Zahlen«, erwiderte Vala mit einem müden Achselzucken, »und ich möchte nicht schätzen.«
Der Gefreite, der Caldus begleitete, wirkte fahrig, ständig strich er sich übers Gesicht, befeuchtete seine Lippen, nagte daran.
»Ich brauche die Erlaubnis, das Lager kurz zu verlassen«, platzte er heraus, nachdem er sichtlich Luft geholt hatte.
Bestürzt zog Vala die Brauen hoch. »Willst du dich umbringen?«
»Da draußen beim Tross ist etwas … jemand, der mir gehört.«
Vala wechselte einen Blick mit dem Tribun, der die Achseln zuckte. Sie hatten den größten Teil des Trosses nicht in das Marschlager aufnehmen können, weil die Anlage zu klein geraten war. Das Gelände bot nicht genug Fläche, und es waren so viele Schanzpfähle geraubt oder zerstört worden, dass sie auf eine lückenlose Befestigung hatten verzichten müssen.
»Ich darf das nicht gestatten«, antwortete Vala. »Wir werden geradezu belagert. Weder wirst du das Lager verlassen noch jemanden hereinschaffen.«
»Was, wenn ich ihn begleite?«, mischte Caldus sich ein, und als Vala ihn streng musterte, fügte er hinzu: »Ich bin ihm etwas schuldig.«
Die angesengte Plane musste ausgebessert werden, um ihre Habe vor der Nässe zu schützen. Gemeinsam zerrten Amra, Sura und Thiudgif sie vom Wagen und versuchten im Schein eines Öllichts die größten Löcher notdürftig mit Stofffetzen zu flicken. Die Arbeit betäubte die drohenden Stimmen in ihrem Inneren, die von Tod und Verderben raunten. Dass ihr Herr längst erschlagen war, irgendwo unbestattet am Wegrand lag wie so viele Leichen, die sie gesehen hatte.
Ringsum war es still bis auf leises Schniefen und das Jammern der Kinder. Sura stach sich immer wieder in die Finger und weinte, bis Amra sie tröstete. Sie hatten es noch gut getroffen, ihr Wagen war nur leicht beschädigt worden. Viele hatten bei den Angriffen ihre Maultiere, ihr Vieh, ihre
Fahrzeuge verloren und nur retten können, was sie am Leibe trugen. Thiudgif richtete sich auf, um den schmerzenden Rücken und die Schultern zu dehnen, als vom Wall ein Ruf ertönte. Die Kinder erhoben ein verängstigtes Geheul, Frauen liefen zusammen, eilten in Richtung Lagertor.
Die schrillen Schreie, das dünner werdende
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