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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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würde genügen, rechtzeitig hier zu sein, sollten wir den Marsch fortsetzen.«
    »Das wäre Irrsinn! Die Nachhut müsste an diesem Tag einen unerträglichen Gewaltmarsch hinlegen -«
    »Sei unbesorgt, Lucius Eggius, das müssten sie nicht, denn wenn wir morgen weitermarschieren, werden wir nur bis zum Ende der Berge vorrücken. Dann bliebe der Heereszug beisammen.«
    »Du willst weitermarschieren?« Marcus Caelius vergaß, den Mund zu schließen.
    »Ich habe mich noch nicht entschieden. Ich werde beide Seiten abwägen und die Vorzeichen abwarten, bevor ich meinen Entschluss fälle.«
     
    Nachdem Annius die säuberlich geglättete Tafel seiner Mitschrift vorgewiesen und eine Kopie mit ausgeschriebenen
Kürzeln abgegeben hatte, verließ er hastig das Zelt. Stra ßen und Gassen des Lagers wimmelten von Soldaten, die um Wasser anstanden oder bei den Trosswagen ihre Vorräte auffrischen wollten. Doch anstatt von der Hauptstraße des Lagers abzubiegen, um sein Quartier aufzusuchen, hastete Annius die Reihen der Offiziersunterkünfte entlang, bis er Caldus’ großes rechteckiges Wohnzelt erkannte. Als er durch den matt erleuchteten Eingang schlüpfte, stellte sich ihm ein Schatten in den Weg.
    »Halt, Herr! Was willst du?«
    Annius erkannte einen der Sklaven, die mit Caldus reisten, einen stämmigen Schwarzen, dessen weiße Zähne im Halbdunkel blitzten.
    »Titus Annius, Schreiber im Stab des Statthalters. Ich muss deinen Herrn sprechen.«
    »Er ist nicht hier«, erwiderte der Schwarze, der Annius mit ausgebreiteten Armen den Weg versperrte. Das Spiel seiner fleischigen Muskeln war beeindruckend. »Und ich weiß nicht, wo er sich gerade befindet. Du wirst eine Nachricht hinterlassen oder später wiederkommen müssen.«
    Mit einem wütenden Schnauben machte Annius kehrt und hastete zurück, fand die Gasse, an der sein eigenes Quartier aufgeschlagen war. Der dreieckige Giebel des Zeltes überragte ihn um kaum mehr als eine Elle, sodass er sich bücken musste, um hineinzugelangen. Regen rieselte auf das Ziegenleder, und drinnen, wo man sich ebenfalls nur geduckt bewegen konnte, war die Luft dick von der Nässe, die vom Boden aufstieg. Zwei Laternen verbreiteten schwaches Licht. Sabinus, der sich auf der Strohmatte ausgestreckt hatte, stemmte sich auf seine Unterarme.
    »Endlich! Ich habe dir deinen Anteil vom Abendessen aufgehoben.«

    Er deutete mit dem Kinn zur Zeltmitte, wo ein Deckenbündel auf dem Boden lag. Als Annius das schwere Tuch auseinanderschlug, fand er darin seinen bronzenen Stieltopf, noch warm. Er hob den Deckel und prüfte den Duft. Weizengrütze mit Speck.
    »Du hast es verdient«, murmelte Sabinus vielsagend, als er sich aufsetzte und Annius einen Löffel reichte.
    Mit untergeschlagenen Beinen saßen sie auf ihren Strohmatten und Mänteln; Annius schaufelte Grütze in den Mund, kaute und schluckte, während er ruhelos seine Gedanken weiterspann. Die Nachricht … irgendetwas stimmte nicht damit. Dass er nicht mit Caldus darüber sprechen konnte, beunruhigte ihn.
    »Werden wir hierbleiben?«, fragte Sabinus unvermittelt.
    Achselzuckend rührte Annius im Topf.
    »Wann werden wir erfahren, wie es weitergeht?«
    »Morgen«, erwiderte Annius zwischen zwei Bissen. »Nach den Auspicien.«
    »Sie lassen uns also schmoren«, schnarrte Sabinus.
    Annius aß unbeirrt.
    »Mit den Barbaren werden wir schon irgendwie fertig«, fuhr Sabinus fort. »Es können ja nicht viele sein.«
    Nicht viele. Annius steckte den Löffel in die Grütze und stellte den Topf auf den Boden, tastete nach dem Wasserkübel und tauchte die Hände hinein, um sein Gesicht zu kühlen. Es war nur noch sehr wenig Wasser darin.
    »Da stimmt etwas nicht«, murmelte er. »Wie kommt es, dass Scharen von Aufständischen bis hierher vorgedrungen sind? Als hätten sie schon lange im Hinterhalt gelegen.«
    »Aber dann hätten sie doch wissen müssen, welchen Weg wir nehmen«, wandte Sabinus ein. »Wie hätten sie das erfahren sollen?«

    »Es sind Einheimische«, entgegnete Annius gedankenverloren. »Sie kennen die Wege durch das Land. Wenn sie wissen, wohin wir wollen, wissen sie auch, welchen Weg wir nehmen können und welchen nicht.«
    »Vielleicht haben sie Spione, vielleicht gibt es Verräter unter den Soldaten der Hilfstruppen.«
    Annius stutzte. In den Worten des Boten hatte etwas angeklungen, das ihn argwöhnisch gemacht hatte. Er kramte in seiner Tasche nach den noch fast handwarmen Tafeln, kroch auf Ellbogen und Knien zur Laterne und hielt die

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