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Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Titel: Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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gemacht. Du hast ihr eine Hand aufs Knie gelegt und sie langsam hochwandern lassen. Erst außen, bis hoch zum Gummiband ihres Slips. Das Gummiband als solches hat keine Bedeutung, und jedes Zögern an dieser Stelle verrät eine Unsicherheit, die in erotischen Belangen nicht wünschenswert ist. Als du es dann allerdings an der Innenseite ihres Schenkels versuchtest, hat deine zukünftige Frau schnell die Beine zusammengeklemmt. Im Halbdunkel konntest du ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen, aber du hast deine Hand vorsichtig und ohne zu murren zurückgezogen.
    Immerhin hattest du nun die Gewissheit, dass Elisa Domini, vorletzte Reihe am Fenster und fünfter Name beim Aufrufen, kein dahergelaufenes Flittchen war.
    Du hast sie auf den Hals geküsst, ihr mit dem Handrücken das Dekolleté gestreichelt, deine Finger unter den wattierten Körbchen entlangfahren lassen. Du hattest ein realistisches Ziel für diesen Abend: die Brüste anzufassen, von denen deine Schulkameraden das ganze Jahr über geträumt hatten. Du fühltest dich privilegiert. Zu Höherem bestimmt.
    Nachdem Elisa schon die Beine zusammengepresst hatte, konnte sie dir das nicht auch noch verwehren. Es funktioniert immer nach demselben Prinzip: viel wagen und den Gegner in dem Glauben lassen, siegreich aus dem Kampf hervorgegangen zu sein, obwohl der in Wirklichkeit noch gar nicht eröffnet worden ist.
    Der erste Kaufvertrag, den du einfädeln konntest, datiert auf den 28. September 1989: zwei Computer und ein Drucker von Olivetti für eine Firma, die Ersatzteile für landwirtschaftliche Maschinen herstellt. Du hast ihn dir sogar eingerahmt, mit einem Passepartout aus blauem Filz.

7
    D ie Provision für meinen ersten Abschluss betrug hundertsechsundsiebzigtausend Lire. Wie gern würde ich diesen Rahmen wiederfinden, den Beginn meiner Laufbahn als Vertreter. Aber ich, also das Monster Furio Guerri, bin selbst schuld, dass er verschwunden ist.
    Wo die ganzen Kassetten jenes Sommers geblieben sind, weiß ich ebenfalls nicht. Die Dinge gehen auf rätselhaften Wegen verloren, manchmal stehlen sie sich einfach davon.
    Milli Vanilli war jedenfalls ein großer Schwindel. Die zwei Models bewegten nur die Lippen, während die Stimmen unter anderem von irgendwelchen deutschen Chorsängern stammten. Als das Duo überführt wurde, musste es sämtliche Goldene Schallplatten zurückgeben und bekam Dutzende Anzeigen wegen Betrugs. Nach einem Raubüberfall wanderte einer der beiden dann auch noch in den Knast und starb später an einer Überdosis.
    Heute Nacht habe ich vom Meer geträumt. Ich habe geträumt, das Wasser sei bis auf halbe Fensterhöhe meines Autos gestiegen. Ich habe geträumt, wie ich das Gaspedal durchtrat, mich ans Bakelitlenkrad krallte und meinen Spider anbrüllte, nicht stehen zu bleiben.
    In meinem Traum raste mein Spider weiter, während er Meter für Meter in die Tiefe sank. Und das Heulen des Motors verwandelte sich in das ferne Klagen eines Wesens im finsteren Meer unter mir.
    Als ich völlig orientierungslos aufwachte, wusste ich nicht einmal, ob Tag oder Nacht war. Ich wollte nur noch zum Telefon und meinen Arzt anrufen.
    Das tat ich, sobald ich wieder ruhig atmen konnte. Dass es zehn vor vier in der Nacht war, stellte ich erst später fest.
    Aber er war ohnehin nicht drangegangen.
    Auch diese Nacht wäre überstanden, nun stehe ich wieder vor dem dunkelroten Eisentor.
    Ich bin hier, weil es eine einmalige Gelegenheit ist, am Computer dieser Lehrerin herumzufummeln, und Monster haben einen Riecher für gute Gelegenheiten.
    Der PC-Service hat den Vertrag gekündigt, Laura wird also nicht erfahren haben, dass ich nie dort gearbeitet habe. Ich bin gekommen, um ihr persönlich einen Gefallen zu tun, und muss mich nur mit ihrem Notebook in irgendeine Ecke verziehen und alles kopieren. Das dauert höchstens zwanzig Minuten.
    Vor den Eingangstüren aus Glas bleibe ich stehen. Ich habe eine andere Brille aufgesetzt, mich rasiert und nur fünf Tropfen genommen. Die Nacht war schwierig, ich habe ein beunruhigendes Pfeifen im Ohr. Ich gehe hinein, der Gang ist menschenleer, die Schulstunde endet in zehn Minuten. Wenige Schritte bis zum Computerraum, das Pfeifen wird immer unerträglicher. Ein quälendes Fiepen. An den Fenstern pulsiert ein blauer Lichtschein.
    Ich bin drauf und dran umzukehren, als es hinten im Flur plötzlich zu einem gewaltigen Radau kommt.
    Die Tür von Raum IV B ist aufgesprungen und gegen die Wand geknallt. Ich erkenne Lauras Stimme.

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