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Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Titel: Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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Herstellungsmüll, zwischen Filmschnipsel, Klebstoffklumpen und Andrucke.
    »Andernfalls müssen wir auf Ihre Mitarbeit verzichten, Guerri.«
    »Errechnet am Quartalsmittel«, schlägst du vor und gibst zu bedenken, dass Kulturarbeit Zeit braucht und Bücher nicht weggehen wie Weinetiketten. Aggradi senior scheint keine Einwände zu haben. Aggradi junior hingegen lehnt sich gegen die Schreibtischkante, die Arme immer noch verschränkt.
    »Zwanzig Prozent. Jeden Monat.«
    »Das ist eine Menge.«
    »Sie trauen sich wohl nichts zu, Guerri«, beendet Aggradi junior die Diskussion. »Wer sich nichts zutraut, hat schon verloren. Und das kann sich hier niemand leisten.«
    Zwanzig Prozent pro Monat ist purer Wahnsinn.
    Worauf das hinauslaufen soll, ist ohnehin klar: Die neuen Maschinen sind für Großauflagen in Farbe konzipiert, für Kaufhausprospekte etwa. Dieser Idiot von Aggradi junior will den kulturellen Sektor abwickeln, er wartet nur auf die passende Gelegenheit. Und die hast du ihm jetzt auf dem Silbertablett geliefert mit deinem Chaos. Bravo Furio. Du bist ein richtiges Arschloch.
    Du schließt dich auf der Toilette ein und betrachtest dich im Spiegel. Schäm dich, du Arschloch, fährst du dich an. Du musst eine Frau und eine Tochter ernähren, nein, du musst sie verwöhnen wie Prinzessinnen. Und am Monatsende hast du auch noch einen dreißigjährigen Kredit abzustottern.
    Schäm dich, du Arschloch. Und bestraf dich, bevor andere es tun.
    Schäm dich, Furio, denkst du immer noch, als du die Klobürste aus dem gelb verfärbten Behälter nimmst und dir vor dem Spiegel damit ins Gesicht schlägst.
    Schäm dich ordentlich! Und dann geh, Furio Guerri, und liefer diesen Mistkerlen dreißig Prozent. Dreißig Prozent Umsatzplus. Pro Monat.
    Du verlässt die Toilette und suchst Susy Pferdegebiss. Lächelnd teilst du ihr mit, wie sehr du das Durcheinander mit dem Etrusker-Buch bedauerst. Du gibst zu, dass deine Bildlegenden falsch waren, und dankst ihr für die vielen Arbeitsstunden, die sie darauf verwendet hat, die Fotos zu reinigen.
    Susy Pferdegebiss muss ja nicht wissen, wem sie es zu verdanken hat, falls ihr statt des erhofften unbegrenzten Arbeitsvertrags die Kündigung ins Haus flattert.

9
    L ivorno ist keine wohlhabende Stadt, ich hatte noch nie einen Kunden hier. Außerdem liegt es am Meer.
    Fahrzeuge auf den Gehwegen und ineinander verschachtelte Häuser ohne Balkon, versteckt hinter Wäscheteilen, die wie stolze Fahnen im Wind flattern. Jedes Auto trägt irgendeine Narbe. Auf dem Platz, den wir überqueren, klammert sich eine Kirche an die Überreste einer Mauer aus der Nachkriegszeit. Wir folgen dem Kanal und fahren über eine Brücke.
    Der Fußboden im Hauseingang ist ein einziges Flickwerk aus roten Fliesen und schmutzig gelbem PVC. Auf der Fußmatte im ersten Stock stehen drei Paar mit Mörtel verkrustete Arbeitsschuhe. Im zweiten Stock schlagen uns die warmen Ausdünstungen von Chili und Curry entgegen, im dritten höre ich wütendes Hundegebell. Im vierten schließt jemand schnell die Tür, als wir näher kommen.
    Die letzte Treppe ist steiler. Laura wohnt im Dachgeschoss.
    Die Wasserrohre laufen außen an den Wänden entlang, und in der Küche klafft ein Loch im Mauerwerk.
    »Entschuldige das Chaos, da waren Drogen drin.«
    Laura schleudert ihre Schuhe in die Ecke und erzählt, dass diese Drogen ein Segen für sie waren. Vor ihr habe in der Wohnung ein marokkanischer Dealer gelebt, von dem die Vermieterin sechs Monatsmieten schwarz auf die Hand verlangt habe. Als er dann kurz darauf geschnappt wurde, habe er nichts vorweisen können, um das zu belegen.
    »Deshalb ist sie mir bei der Miete ein bisschen entgegengekommen. Allerdings will sie den Schaden, den die Polizei angerichtet hat, nicht reparieren.«
    Die kleinen, tief im Dach liegenden Fenster gehen auf den Hafen. Von den Deckenbalken baumeln Sepiaschalen, Muscheln, grüne und rote Kristalle und kleine Metallzylinder, die jeden Luftzug in eine sommerliche Brise verwandeln, wenn man die Augen schließt.
    »Abgesehen davon habe ich es aber doch gemütlich hier, oder?«
    »Sehr hübsch.«
    In der einfachen, weißen Küche stellt sie einen Topf auf den Herd und fragt, ob ich Vollkornnudeln mag.
    Ich hasse Vollkornnudeln, doch ich lüge mit einem Lächeln und nehme zum ersten Mal die Brille ab. Heute habe ich mich für nicht ganz so dunkle Gläser in Lila entschieden.
    Laura mustert mich einen Moment, dann zeigt sie auf ihren Computer. Er steht auf einer

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