Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
Stunde später. Ich weiß es nicht.
»Acht Stiche. Aber es ist alles in Ordnung. Sie hat Glück gehabt.«
»Geht es ihr gut?«
»Ja. Man hat sie schon wieder entlassen.«
Sie seufzt, steckt sich eine Zigarette an, schaut auf die Uhr.
»Schon eins. Hast du Hunger?«
»Nicht wirklich.«
»Lass uns bei mir in Livorno ein paar Nudeln essen. Du kannst meinen Computer flottmachen, danach bringe ich dich dann nach Hause. Einverstanden?«
Ich übergebe ihr die Autoschlüssel.
»Mir würde schon reichen, wenn du mich kurz vor vier zum Bahnhof bringst. Und jetzt wieder selber fährst.«
»Irgendetwas nicht in Ordnung?«
Ich mag es nicht, wenn man mich das dauernd fragt.
»Alles bestens. Ich fahre nur nicht gern mit so einem Auto.«
Sie sieht mich verdutzt an, wirft ihre Tasche auf den Rücksitz und startet den Motor.
8
D rei Tage später bestellen die Aggradis dich in ihr Büro im Zwischengeschoss, dem schlichten Glaskasten über der Werkhalle mit den beiden neuen Sechsfarbdruckmaschinen. Deutsche Ungetüme von fast zehn Metern, mit einem Stundendurchsatz von fünfzehntausend Bogen. Kostspielige Ungetümer, die ununterbrochen nach Arbeit lechzen.
Das Büro im Zwischengeschoss ist nicht der Ort für Komplimente, Gratifikationen oder Sonderprämien für erreichte Umsatzziele. Es ist der Ort endloser Diskussionen über die Urlaubsplanung und ständiger Reibereien zwischen den Arbeitern, die in der Werkhalle schuften, und den Betonköpfen, die zehn Stunden vor dem Computer hocken. Bei Aggradi gewährt man den Angestellten viel Raum für Konfliktbewältigung, solange man das untereinander austrägt.
Die Aggradis erwarten dich bereits. Junior und senior. Der Souverän ist wie immer schlecht frisiert, grün kariertes Hemd mit Unterhemd darunter, Brille mit Kettchen. Der Thronfolger mit seinen schlaffen Gesichtszügen und dem mürrischen Blick trägt einen blauen Anzug.
Beide stehen mit verschränkten Armen da. Schlechtes Zeichen.
Auf dem weißen Schreibtisch liegt das großformatige Buch über etruskische Nekropolen. 29,7 cm × 29,7 cm, zweihundertvierzig Seiten, Schutzumschlag, hundertachtundfünfzig Illustrationen in Vierfarbdruck, üppig gesponsert von einer Sparkasse und wärmstens angepriesen von dem Kommunalbeamten, den du, Furio Guerri, in seinem Haus in den Colline Metallifere aufgesucht hast, weil er dich im Rathaus nicht empfängt.
Vater und Sohn Aggradi haben keinen Zweifel. Im Übrigen ist die Beweislage gegen dich erdrückend. Die Hinweise zu den Abbildungen waren vertauscht. Maße und Seitenzahlen stimmten nicht. Und das »Grab der Brautleute« hast du mit irgendeiner anderen beschissenen etruskischen Ruhestätte, auf der ein zärtliches Paar dargestellt ist, verwechselt. Um es auf den Punkt zu bringen: ein Riesenchaos. Scheiße.
Weil es ein großes Foto war, eine Doppelseite, und zu allem Unglück auch noch im Oktavformat, mussten sie nicht acht, sondern gleich sechzehn Seiten wegwerfen und neu drucken. Doppelt Scheiße.
Und da das Buch zu einem bestimmten Termin den Honoratioren von dieser blöden Dingsbums-Stiftung und jener bekackten Hast-du-nicht-gesehen-Gesellschaft präsentiert werden sollte, blieb den Aggradis nichts anderes übrig, als drei Angestellte zu einer vierstündigen Nachtschicht zu verdonnern. Zusätzlich zu den drei Arbeiterinnen aus der Buchbinderei, die am Samstag um fünf Uhr morgens die ersten fünfzig Bände, die aus dem Druck kamen, in Windeseile verpacken mussten. Dreifach Scheiße.
»Wir bezahlen Sie dafür, dass Sie den Gewinn steigern, falls Sie sich erinnern, Guerri«, zischt der alte Aggradi. »Das ist wohl kaum die richtige Arbeitseinstellung.«
»Sehen Sie sich mal diese Flecken auf den Originalen an!«, stößt der andere hervor. »Was haben Sie bloß mit den Fotos angestellt, den Fußboden gewischt? Susy, das neue Mädchen, hat vier Stunden gebraucht, um sie einigermaßen wieder hinzukriegen.«
Du schweigst. Du hast gar nichts damit angestellt, würdest du dich am liebsten rechtfertigen, denn das waren die fettigen Fingerchen deiner geliebten kleinen Caterina. Aber du hättest es merken müssen, in der Tat. Folglich bist du natürlich der Obertrottel hier.
»Wir Aggradis setzen ungern einen Familienvater auf die Straße«, sagt der Alte großmütig. Doch dann diktiert sein Sohn die Bedingungen:
»Wir erwarten von Ihnen, dass Sie nächstes Jahr zwanzig Prozent mehr Umsatz pro Monat liefern«, dekretiert er und wirft das Buch in den Behälter für den
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