Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
ohne Antenne. Es kann nicht sein, dass nur du jederzeit erreichbar sein musst und sogar bei der Arbeit angerufen wirst, sobald Caterina zweimal hintereinander niest.
Oben schreit Caterina unablässig: Wo ist das Album? Was hat sie gesagt? Wo hat sie es hingetan?
Ob die Süße wohl mal einen Moment still sein könnte? Du bist drauf und dran loszubrüllen, tust es aber nicht. Denn du, Furio Guerri, bist der liebste und verständnisvollste Vater der Welt.
Der Punkt ist, dass Mama gar nichts gesagt hat. Weil Mama nämlich gar nicht bei Romina ist. Und nicht einmal Romina ist bei Romina, um ehrlich zu sein. Also hat Mama eine Lüge erzählt. Eine große Lüge.
Und lügen darf man nicht.
Das Mandelgebäck mit Pinienkernen esst ihr alleine auf. Du und deine Tochter. Und Mama? Pech gehabt. Du hattest es zwar für sie gekauft, weil sie es so gern mag, aber selber schuld, wenn sie unbedingt ausgehen muss. Noch dazu esst ihr es im Ehebett. Wenn das Mama sehen würde. Ihr krümelt die ganze Tagesdecke mit Pinienkernen und Vanillezucker voll, und Caterina wischt sich heimlich die Finger an einem Zipfel vom Bettlaken ab. Als sie merkt, dass du sie dabei ertappt hast, grinst die kleine Kanaille, wie nur ihr beide es könnt. Vater und Tochter, ein Herz und eine Seele. So glücklich solltet ihr öfter sein.
Vielleicht bedeutet Glück ja gar nichts anderes, als mit einem süßen Geschmack auf der Zunge einzuschlafen und das Zähneputzen einfach ausfallen zu lassen.
Gegen null Uhr vierzig hörst du ein Knacken im Türschloss. Dann Schlüsselgeklimper auf dem Telefontisch. Du spürst die Kälte der wilden, dunklen Landschaft zusammen mit deiner Frau hereinkommen.
Normalerweise bist du abends so erledigt, dass du zehn Minuten, nachdem du Caterina ins Bett gebracht hast, wie tot zusammenbrichst. Heute nicht. Heute Abend bist du überhaupt nicht müde.
Du hast schon erlebt, dass Kunden abgewandert sind. Und du weißt, wie sinnlos es ist, sie direkt darauf anzusprechen.
Als Elisa sich über dich beugt, fallen ihre Haare herab wie der Schatten einer Weide im Sommer. Ginsengbalsam, Algenpeeling, ein Hauch von Talg, Nikotin. Als sie dich küsst, umfasst du ihr Genick und hinderst sie daran, sich wieder aufzurichten.
»Warum bist du noch wach?«
»Ich habe Lust auf dich«, sagst du, eingetaucht in das Dunkel ihrer Verwirrung. Du wühlst dich unter ihre Locken und beißt sie in den Nacken, wie Katzen es beim Liebesspiel tun.
»Jetzt?« Sie klingt eher bedrängt als überrascht. Bestimmt kommt jetzt irgendeine Ausrede. Wahrscheinlich hatte sie eben erst Sex, klar.
»Ich geh nur kurz ins Bad«, murmelt sie.
»Vielleicht möchte ich das ja gar nicht.«
Du packst sie an den Armen und schiebst sie mit deinem ganzen Körpergewicht aufs Sofa. Du darfst ihr keine Gelegenheit geben, den fremden Geruch loszuwerden, nein, diese Lügnerin darf keine Chance bekommen, sich zu verteidigen.
Sie widersetzt sich, lacht, und wenn sie lacht, ist sie so schön, dass es kaum zu ertragen ist. Du drückst sie mit der Wange ins Sofakissen, ertastest den Gummibund der Strumpfhose unter ihrem Rock. Und fürchtest, oder erwartest, dass dieses Gefühl sich einstellt. Das Gefühl, das einen überfällt, wenn man nach Hause kommt, und es wurde eingebrochen. Wenn man glaubt, man habe sich in der Tür geirrt, weil man seine Wohnung erkennt, sich aber innerlich dagegen sträubt. Jemand hat sie entweiht, und sie wird nie wieder wirklich dir gehören.
Genauso ist es heute Abend. Du musst herausfinden, ob deine Frau zugelassen hat, dass jemand anders sie berührt und auszieht wie du jetzt.
Das darfst nur du. Kein anderer. Niemals.
»Komm, wir machen es uns oben gemütlich …«
»Nein, ich will dich jetzt. Hier.«
Nur du, Furio Guerri, hast dieses Recht. Wann du willst und wo du willst.
»Es war so schön, am Kamin zu sitzen«, sagt Elisa, als sie sich unter die Bettdecke kuschelt. Die Leuchtziffern des Weckers werfen zwanzig nach eins an die Wand. »Wir haben den ganzen Abend Burraco gespielt.«
»Was ist das?«
»Ein Kartenspiel. Macht Spaß.«
»Nie gehört.«
»Ist gerade groß in Mode.«
Elisa erzählt von diesen beiden Freundinnen von Romina, die so nett seien. Und dass sie Romina zu überreden versuchen, bei den nächsten Wahlen zu kandidieren. Offenbar hat sich inzwischen überall herumgesprochen, dass im Mai Wahlen sind.
»Politik ist ein dreckiges Geschäft«, grummelst du knapp und denkst dabei an die vielen Stimmzettel, die Aggradi drucken
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