Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
vor Caterina.«
»Spinn nicht rum! Wenn du den Helden spielen willst, hättest du dich längst in deiner Zelle erhängen können.«
»Natürlich. Weil die Welt auf einen wie mich gut verzichten kann?«
Sie antwortet nicht. Erst vor dem Seiteneingang der Turnhalle kann Laura sich durchringen, wieder mit mir zu sprechen.
»Heute soll ein schöner Tag für Caterina sein. Der erste schöne Tag nach vielen beschissenen Jahren. Das darfst du nicht kaputt machen. Du solltest wirklich gehen.«
»Und was, wenn nicht? Holst du dann die Polizei?«
»Arschloch.«
»Du klingst schon wie meine Schwägerin, diese Schlampe. Alles was du anfasst, geht zugrunde, ihr Guerris habt Gift in den Adern, ihr seid verflucht. Ohne mich würde Caterina diesen Zirkus hier gar nicht mitmachen. Ich bin der Einzige, der etwas für sie getan hat!«
»Wie bitte? Seit zwei Jahren reiße ich mir für deine Tochter den Arsch auf, du Blödmann!«
Soeben hat Laura ausgesprochen, dass Caterina meine Tochter ist, und dem ist nichts hinzuzufügen. Sie öffnet die Stahltür und bleibt auf der Schwelle stehen.
»Glaubst du, mir fehlt der Mut, da reinzugehen?«
Sie wirft mir ein ätzendes Lächeln zu.
»Davon brauchst du allerdings reichlich.«
Ich bin Furio Guerri, das Monster, aber ich bin kein Feigling.
Als Lehrer und Rektor einen Halbkreis um Caterinas Kunstwerk bilden, stelle ich mich in die erste Reihe. Auch die beiden Ärsche sind erschienen. Sie stehen nur wenige Meter von mir entfernt. Meine Schwägerin Vanna, ganz die perfekte amerikanische Gattin, in blauem Kostümchen und weißen Pumps mit einem Absatz, der besser in eine Striptease-Bar passen würde. Professor Mariano Domini in einem zwei Nummern zu großen Jackett, das an seinen schmalen Schultern schlottert wie an einem Kleiderbügel. Sein Kopf ist nur noch von hellem Flaum bedeckt, der kaum von der rosafarbenen Haut seines Schädels zu unterscheiden ist. Er lächelt allen mit seiner Hängelippe zu und schüttelt eifrig Hände, immer mit dem Stöpsel seines protzigen Handys im Ohr. Unter dem Jackett trägt er betont lässig ein quer gestreiftes Polohemd, das mit einer Art Marineabzeichen verziert ist.
Caterinas Bild ist das größte, sie mussten es mit einem Patchwork aus grauen und blauen Müllsäcken verhüllen. Es hängt in der Ecke hinter der Mattglastür, die auf den Sportplatz hinausführt. Warum machen sie die bloß nicht auf?
Aber nicht die Hitze lässt mich so schwitzen, nicht die stickige Luft raubt mir den Atem, sondern die Gewissheit, es endlich geschafft zu haben.
Caterina muss sich im Klassenraum oder auf der Toilette verbarrikadiert haben. Laura zerrt meine Tochter fast mit Gewalt vor ihr Werk.
Wie viele Jahre waren wir uns nicht so nah?
Wie viele Jahre haben wir nicht dieselbe Luft geatmet?
Wie viele Jahre hatten unsere Blicke nicht einmal die Chance, sich zufällig zu begegnen?
Die Augen meiner Tochter sind von einem verregneten Grau. Es sind dieselben unnachsichtigen Augen, die ich jeden Morgen sehe, seit ich groß genug bin, allein vor einem Spiegel zu stehen. Ich erkenne auch diesen leicht nach oben gezogenen Mundwinkel. Die gleiche Miene zog meine Frau, wenn sie sich breitschlagen ließ, etwas zu tun, von dem sie nicht überzeugt war. Also das meiste, was sie in ihrem kurzen Leben tat.
Ich sehe ihr blasses, rundes Gesicht, die grünlichen Augenschatten, das kurz geschnittene Haar, das aussieht, wie mit Schuhwichse gefärbt, und die mit lilafarbenem Glitzerlack angemalten Fingernägel.
Dick, böse und dumm hat meine Schwägerin sie genannt.
Sie ist so groß wie ihre Mutter, auch die schönen Hände und die zarten Handgelenke hat sie von Elisa. Aber der Rest ist wie unter einem Sediment verschüttet. Nur ich kann die wahre Caterina sehen, das hübsche Mädchen, das sie wäre, wenn die Dinge einen anderen Lauf genommen hätten. Trotz der Speckfalten an ihren Achseln, der in schwarze Jeans gezwängten Hüften, der kräftigen Schenkel, die träge aneinander scheuern, als Laura sie auffordert, ihren Vortrag zu beginnen, trotz der belustigten Blicke und der Rippenstöße all dieser magersüchtigen Tussis.
Caterina hält schon die Schnur in der Hand, um das Müllsack-Patchwork zu entfernen. Viele ihrer Kameraden haben das Fotohandy gezückt, der Rektor faltet andächtig die Hände. Laura steht ganz dicht neben ihr und hält sie an den Schultern fest, als habe sie die Befürchtung, Caterina könnte das Gleichgewicht verlieren. Caterina habe über einen Monat
Weitere Kostenlose Bücher