Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
hat sich des Windes bedient. Mir scheint, er ist das Wesen aller Geister.
Mein Schwager schimpft, es sei eine Schande, seine Schwester noch im Tod so zu beleidigen. Er drängt die Umstehenden zur Seite, packt den Ventilator und reißt das Kabel aus der Steckdose. Endlich verliert er seinen beschissenen Heiligenschein. Mein Schwager attackiert den Rektor. Selbst wenn er nichts davon gewusst haben sollte , hätte er sich von der Lehrerin erklären lassen müssen , wer die Braut auf dem Bild sei. Feige wie immer. Wendet sich an deinen Vorgesetzten, um dich zu vernichten.
Es gibt Wege, ein Urteil würdevoll anzunehmen.
Ich musste verschiedene ausprobieren.
Mein Schwager kennt keinen einzigen.
Mariano droht Laura und Caterina, beschuldigt den Rektor und macht sogar seiner Frau Vorwürfe, keine Ahnung, wofür.
Die Turnhalle hallt von Pfiffen wider. »Blödmann!«, »Arschloch!«, schreien ein paar Schüler. Ich bahne mir einen Weg durch die Jugendlichen, die der Szene erstarrt beiwohnen, regungslos wie schwere Schaufensterpuppen.
Nur wenige Schritte trennen mich von der großen Mattglastür, die auf den Sportplatz hinausführt. Es ist der kürzeste Weg nach draußen.
Könnte man jedenfalls meinen.
Der Türgriff ist hart und knarzt unter dem Rost, ich packe mit beiden Händen zu und sperre die Türflügel bis zum Anschlag auf.
Die Luft schlägt mir sanft entgegen, ein sachter Wind streicht an mir vorbei und spielt in den schwarzen Schnüren, als wäre es verbranntes Gras.
Ich drehe mich um und gehe ein paar Schritte zurück, nur so weit, dass ich unsere toten Gesichter noch einmal sehen kann.
Vielleicht hat mich niemand bemerkt, und für ein paar Sekunden scheint das Ganze ein schauriger Zauber. Aber das war ich. Das Wesen der Geister kenne ich jetzt.
Auch ich bin der Wind.
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E s war eine jener Meldungen, von denen die Presse eine Woche lang zehrt. Ich habe mir fünf oder sechs Zeitungen besorgt und überfliege nur die Schlagzeilen der Klatschspalten: »Bild zeigt ihre vor zehn Jahren ermordete Mutter«. Und: »Sturm über dem Istituto Marconi«.
Auch der Hintergrundbericht zum Prozess darf natürlich nicht fehlen, dazu ein Foto der lächelnden Elisa, das ich an der Côte d’Azur geschossen habe, und eine kurze Rekonstruktion der dramatischen Ereignisse. Die junge Mutter aus angesehener Familie, in einer »dramatischen Terrornacht« aus dem Leben gerissen. Der Bilderbuchgatte, der sich in eine Bestie verwandelt. Das unermüdliche Engagement Mariano Dominis, der keine Gelegenheit ungenutzt lässt, seiner Schwester zu gedenken. Auf diese Weise erfahre ich, dass es im Sudan einen Kindergarten gibt, der den Namen meiner Frau trägt. Ihren Mädchennamen, um genau zu sein.
Alle Artikel weisen erneut darauf hin, dass Elisa noch leben würde, wenn ich sie an jenem Abend ins Krankenhaus gefahren hätte. Das stimmt, und trotzdem ist es verrückt. Zehn Jahre danach ist es keine Erwähnung mehr wert, dass ich meine Frau zu Tode geprügelt habe. Stattdessen wirft man mir immer noch vor, nicht erkannt zu haben, dass Elisas Leben in Gefahr war. Vielleicht haben Walter und Augusto recht: Eine Schuld verzeihen sie dir früher oder später. Einen Fehler vergessen sie dir nie.
»Die Klassenkameraden stehen geschlossen hinter Caterina«, heißt es in einem Bericht. Endlich. Das ist die Nachricht, nach der ich gesucht habe. Ich erfahre, dass nach Mariano Dominis Drohung an die Presse, auf gar keinen Fall Bilder von dem Kunstwerk zu veröffentlichen, im Internet die in der Turnhalle aufgenommenen Handyfotos kursieren. Innerhalb weniger Stunden wurden sie auf Hunderten von Websites veröffentlicht und über zwanzigtausend Mal angeklickt. Überall auf der Welt. Eine Kunstgalerie in Tokio hat eine stolze Sume für Ich bin der Wind geboten, und verschiedene Biennalen haben Interesse bekundet, die Werke meiner Tochter auszustellen.
Ich weiß nicht, ob das wieder nur so eine Lawine ist, die lediglich ein paar Tage rollt. Doch ich weiß, dass die beiden Ärsche sie nicht aufhalten können. Und ich weiß, dass sie ins Rollen kam, als Caterina und ich uns nach all der Zeit wiederfanden.
Es wird auch berichtet, Mariano Domini habe das Kunstwerk mit einem Skalpell, das er immer bei sich trägt, zu zerstören versucht, was ihm jedoch nicht gelungen sei. Verhindern konnte das Caterinas Stützlehrerin Laura Aletti. Sie habe eine Halsverletzung davongetragen, die allerdings in zwei Wochen auskuriert sein dürfte.
»Ich wollte mich nur
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