Vater Mond und seine Kinder (German Edition)
Entwerfen der Skizzen beschäftigt. „Und was machst du?“ fragte Mutig. „Ich, ich werde mich nach der anstrengenden Nacht noch etwas ausruhen. Nach dem Mittagessen setzen wir uns dann wieder zusammen.“
„Eine klitzekleine Frage noch“, tönte es von Mutig, der es nicht lassen konnte: „Wieso hast du eine Wunde an der Hand, was ist passiert?“ „Ach so“, beruhigte Goldor ihn, „ich hab Brutus aus einer Falle befreit und mich dabei verletzt. Später mehr, jetzt gehe ich erst einmal schlafen.“ Entschlossen wandte er sich um, ging in sein Schlafzimmer und schloss die Tür. Ermattet sank er auf sein Bett. Die lange Wanderung und das Erlebnis mit Brutus hatten ihm ganz schön zugesetzt.
„Man ist halt nicht mehr der Jüngste.“
Frau Sonne
Nach dem überstandenen Schrecken kraxelte Frau Sonne von ihrem Sitzplatz herunter und begab sich zur Himmelsleiter. Stufe für Stufe klomm sie aufwärts und schaute sich um. Gänzlich beruhigt hatte sie sich immer noch nicht. „Dieser verflixte Mond“, schimpfte sie vor sich hin. „Er hat nichts als Blödsinn im Kopf. Wenn das noch mal passiert, beschwere ich mich beim Himmelsrat.“
Außer Puste machte sie in der Mitte der Leiter kurz Rast, um neue Kräfte zu sammeln. Bisher hatte sie noch nicht einmal die Hälfte der Leiter erklommen. Nachdem sie sich einigermaßen erholt hatte, richtete sie sich auf und sandte die ersten Probestrahlen über die Lichtung. Noch recht wirkungslos, wie sie fand. Sie kniff die Augen zu einem Schlitz zusammen und beobachtete aufmerksam die Gegend. Seltsam, soweit ihre Augen reichten, war nichts weiter zu sehen, als nur dichter weißer Nebel, der über den Wald und das Tal kroch. Ihren ersten Frühlingstag hatte sie sich anders vorgestellt. Viel heller und freundlicher. Vergangene Nacht hatte Väterchen Frost nochmals seine Macht demonstriert und alles mit einer dicken Schneedecke überzogen. Eisiger Wind fegte über das Land. Die ersten kleinen grünen Triebe, die zaghaft die Erde durchbrachen, froren jämmerlich. „Na warte, du Winterschreck, dir werde ich sogleich den Garaus machen. Du kommst mir gerade recht.“ Erst Vater Mond und nun auch noch Väterchen Frost. Das war zuviel. Entrüstet erklomm sie die nächste Sprosse, heizte das Sonnenöfchen mächtig auf und brachte mit all ihrer Kraft den Schnee zum Schmelzen. Und siehe da, plötzlich tauchten aus dem Schneewasser hier und da kleine Blütenköpfchen auf, die ihre Gesichtchen beglückt den wärmenden Sonnenstrahlen entgegen streckten. Immer mehr Schneeglöckchen erschienen auf der Wiese. Sanft wiegten sie ihre Köpfchen auf den Stängeln. Ihr feiner Silberklang durchdrang den Wald und lockte alle Langschläfer zur Wiese. Neugierig trotten sie heran, um zu sehen, woher diese wunderschöne Musik kam. Zu ihrer Überraschung entdeckten sie die ersten Frühlingsboten, die im wärmenden Sonnenlicht die Luft mit ihrem Jubelläuten erfüllten.
Frau Sonne ging das alles nicht schnell genug. „Hallo, ihr da unten, aufwachen, wo bleibt ihr denn? Ich bring euch den Frühling.“ „Wer ruft denn da“ raunten die Bäume und „wer erzählt da etwas vom Frühling“ rauschten die Tannen? Sie reckten und dehnten sich, schüttelten den nassen, schweren Schnee von ihren Ästen, und streckten sie dem Licht entgegen. „Aah“ wedelten sie, „Frau Sonne ist endlich da.“ Nach und nach durchdrangen wärmende Strahlen das Blätterdach, und gaben einen ersten Vorgeschmack auf den bevorstehenden Frühling.
Frau Sonne tat ihr Bestes. Es wurde ein prächtiger Tag. Leises Piepsen drang aus den Büschen und Nestern. Angelockt von den leuchtenden Sonnenstrahlen erwachten die Vögel, plusterten ihr Federkleid auf und putzten sich ausgiebig. Nach der monatelangen Winterzeit hielt endlich der Frühling Einzug, auf den sie so lange gewartet hatten. Selbst die vorwitzigsten Bienen schwirrten heran und versuchten Nektar zu sammeln, was um diese Jahreszeit viel zu früh war. Für den ersten Tag hatte Frau Sonne genug gesehen. Mehr konnte man nicht erwarten. Sie war zufrieden. „Bis morgen“ rief sie und zog gut gelaunt weiter.
Das kleine Dorf
Frau Sonne kletterte eine weitere Sprosse empor und erblickte unter sich das kleine Dorf mit der Kirche, dem Schulhaus und dem Marktplatz. Bauersfrauen aus der ganzen Umgebung boten hier ihre Ware an. In den winkligen Gassen standen kleine, schmucke, schiefer gedeckte und bunt angemalte Fachwerkhäuser. Fast sah es so aus, als ob das Dach des
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