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Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Titel: Vater, Mutter, Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
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sie an diesen Namen, während sie auf den Hinterkopf der Frau starrte, die vor ihr saß?
    Sie erschrak.
    Die Frau vor ihr trug exakt die gleiche Kleidung wie die Frau, die im U-Bahnhof Stadtmitte verschwunden war. Haarfarbe und Frisur stimmten ebenfalls überein.
    Wieso war ihr das nicht schon früher aufgefallen?
    Hastig sprang sie auf, die Stuhlbeine kratzten dissonant über den Boden.
    Simon zu ihrer Linken sah erschrocken zu ihr auf. Der Vortragende unterbrach seine Rede, und die Blicke aller Anwesenden richteten sich plötzlich auf sie.
    Jetzt drehte sich auch die Unbekannte vor ihr um.
    Tatsächlich.
    Es war die Fremde, der sie am Gendarmenmarkt und durch den Wald gefolgt war.
    Jacquelines Stirn fühlte sich an, als hämmerten die Typenhebel einer alten Schreibmaschine darauf: PAULA . Mit der Erinnerung an die Buchstaben auf dem Zettel kehrten auch ihre Kopfschmerzen zurück.
    Simon zupfte an ihrem Ärmel.
    Doch als sie sich ihm zuwandte, saß Paula neben ihr.
    Wie war das möglich?
    Eben noch hatte sich Paula in der Reihe vor ihr befunden.
    Jacqueline blickte wieder nach vorn: auch Paula!
    Panisch drehte sie sich um die eigene Achse. Alle Teilnehmer des Vortrags streckten ihr Paulas Gesicht entgegen.
    Jacqueline sah zum Rednerpult. Dort stand ebenfalls Paula. Die Lippen der vortragenden Paula öffneten und schlossen sich. Obwohl diese Paula direkt ins Mikrofon sprach, konnte Jacqueline keinen Ton hören.
    Erneut spürte sie, dass jemand an ihrem Ärmel zog.
    Die andere Paula; die, die bis eben noch Simon gewesen war.
    Einem Tsunami gleich durchflutete eine riesige Angst-Attacke Jacquelines Körper.
    Sie zitterte.
    Beherzt riss sie sich los von der Paula neben sich, die inzwischen ihren Oberarm festhielt.
    Sie rannte hinaus, entlang der konsterniert dreinblickenden Paulas in den Stuhlreihen.
    Sie erreichte die Ausgangstür des Saals, öffnete sie, rannte hindurch und schlug sie hinter sich zu.
    Ohne Atempause hastete sie weiter, durch die Hotelflure ins Foyer, quetschte sich an anderen Gästen und verwirrten Angestellten vorbei ins Freie; sie alle trugen Paulas Konterfei.
    Erst auf dem Parkplatz hielt sie an.
    Ihr Mercedes!
    Sie blickte suchend umher.
    Dort. Einsteigen. Zündschlüssel herumdrehen. Los.
    Ehe ihr jemand folgen konnte.
    Kavaliersstart.
    Die Flucht glückte.
    Im Rückspiegel entdeckte sie keine auffällige Bewegung.
    An ihrem Kaffee in der Pause hatte sie nur genippt, und doch kam es ihr vor, als habe sie zwei Liter davon getrunken.
    Sie fühlte sich aufgeputscht – und panisch.
    Die Wahnvorstellungen nahmen zu. Endlich war sie an dem Punkt angelangt, sich dies selbst einzugestehen.
    Instinktgetrieben steuerte sie den Wagen durch den Grunewald in Richtung der Auffahrt zur AVUS , während sich ihre Gedanken im Kreis drehten. Zu viele Ungereimtheiten passierten in den letzten Tagen.
    Sie floh – und wusste gleichzeitig, dass es Zeit wurde, sich den Tatsachen zu stellen.
    Die häufigen Kopfschmerzen.
    Die Konzentrationsprobleme.
    Die Verwechslungen.
    Glasklar erkannte sie, dass sie sich die vielen gleichen Gesichter im Grand Hotel nur eingebildet hatte. Ihr Verstand arbeitete wie immer. So glaubte sie.
    Aber wieso hatten sich alle Anwesenden in ihrer Wahrnehmung in die fremde Frau verwandelt?
    Sie erreichte die Auffahrt und rauschte über die Stadtautobahn nach Süden.
    Warum hatte Lukas den Namen der fremden Frau gekannt?
    Erneut pochten ihre Schläfen: PAULA .
    Wieder sah sie die krakeligen Buchstaben vor sich.
    Der Tacho zeigte eine Geschwindigkeit von 140 km/h an.
    Sie betätigte die Lichthupe, immer und immer wieder. Die Fahrzeuge vor ihr wichen zur Seite wie Antilopen, die vor einem Hubschrauber flüchten.
    Die Fahrer schimpften, hupten und zeigten ihr den Vogel.
    Sie ignorierte alles.
    Es gab nur eine Erklärung für ihre Misere: René steckte mit der Fremden unter einer Decke!
    Paula war seine Geliebte.
    Paula wollte Jacquelines Platz einnehmen. Bei René – und auch bei Lukas.
    René musste ihr Medikamente verabreicht haben.
    Medikamente, die nach und nach ihre Psyche zerstört hatten.
    Warum fuhr der Kerl mit dem BMW vor ihr nicht zur Seite?
    Sie schlug mit dem Handballen auf die Hupe. Die Rücklichter näherten sich bedrohlich.
    Im letzten Moment riss sie das Steuer herum und überholte ihn rechts.
    Sie schlitterte auf den Standstreifen und konnte gerade noch verhindern, dass sie gegen die Leitplanke knallte.
    Als sie den Wagen wieder im Griff hatte, trat sie erneut das Gas

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